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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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Schneefall ein. Schon bald sind seine Fußspuren verschwunden.

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1
    Fast zehn Jahre später.
Donnerstag, 19. November
    I hre Karriere war zweifelsfrei im Eimer. Alles, was sie mit diesem Idioten noch zu tun haben wollte, war, ihm einen kräftigen Tritt in seinen fetten Walross-Hintern zu versetzen. Nach dem Gespräch hatte sie ihm einen vernichtenden Blick zugeworfen und war erhobenen Hauptes und zum letzten Mal aus seinem Büro stolziert. Als sie früher als üblich nach Hause gekommen war, hatte Sven sich mit der Verkäuferin aus dem Computerladen im Bett vergnügt. Sein Golden Retriever hatte danebengesessen und sie schwanzwedelnd begrüßt.
    Hanna Brock stapfte den steilen Pfad hinauf und fluchte laut über die Brombeerranken und Äste, die sich durch ihre neue Trekkinghose hindurchbohrten. Ihre Wanderschuhe waren noch immer nicht eingelaufen, und sie hatte ihre Zehen vorsorglich mit Pflastern verklebt.
    In den letzten Wochen war sie oft in Versuchung geraten, einfach wieder nach Hamburg zurückzufahren. Aber diesen Triumph wollte sie dem Walross nicht gönnen. Bestimmt würde er sich vor Schadenfreude auf die feisten Schenkel klopfen und laut lachen. Und Sven würde um Vergebung winseln und sich in Selbstmitleid suhlen, weil sie seine täglichen Anrufversuche ignoriert hatte. Nein! Sie hatte genug von Männern, die sie hintergingen. Außerdem hatte sie hier einen Job zu erledigen. Und wenn sie so weitermachte, würde sie auch den noch in den Sand setzen.
Verdammt!
    Als der Pfad endlich auf einen breiteren Weg stieß, hielt sie erleichtert an und setzte sich auf einen großen Stein. Sie musste über eine Stunde gelaufen sein, seit sie um neun Uhr früh aus dem Auto gestiegen und Richtung Südwesten gegangen war. Hanna schnupperte prüfend unter ihrer Achsel und rümpfte die Nase. Was soll’s, dachte sie. Ich muss heute weder Gisele Bündchen am Laufsteg interviewen noch mit Fatih Akin über sein neuestes Hollywoodprojekt plaudern. Und mit den Cocktailpartys war es auch vorbei. Es war ein aufregendes Leben gewesen, und sie hatte es in vollen Zügen genossen. Bis
diese Sache
begonnen hatte.
    Hanna öffnete ihren Rucksack und zog die Wanderkarte heraus. Wenn sie sich dort befand, wo sie vermutete, lag das nächste Dorf nur einen knappen halben Kilometer entfernt, direkt unterhalb des Tannenwaldes. Bis zu ihrem eigentlichen Ziel konnten es also höchstens noch dreißig Minuten Fußmarsch sein. Kurz überlegte sie, einen Abstecher in das Dorf einzuschieben, verwarf den Gedanken jedoch. Die Karte wies es als Ort mit rund fünfhundert Einwohnern aus – eine Ansammlung kleiner hellgrauer Rechtecke, ein paar einzelne Quadrate, verstreute Bauernhöfe. Ein hübsches Café würde sie dort kaum finden, und zudem stand ihr der Sinn nicht nach verschrobenen Bauern und einem Haufen stinkender Kühe. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie man in dieser Gegend überhaupt leben konnte. Ein Kaff war langweiliger als das andere. Zum Glück musste sie nicht jedes in ihren Wanderführer aufnehmen.
    Entschlossen stopfte sie die Karte in den Rucksack zurück. Sie würde auch ohne Stärkung auskommen. Bis zum Mittag würde sie die Rabenschlucht erkunden, sich Notizen machen und ein paar Fotos schießen. Dann schnurstracks zum Parkplatz zurückgehen, zwei Stunden später wieder in der Zivilisation sein und sich dort einen großen Salat mit Thunfisch und zwei doppelte Espressi genehmigen. Am Nachmittag bliebe ihr genügend Zeit, um die Aufzeichnungen der letzten Tage in ihren Laptop einzugeben. Und sich zu entspannen.
    Hanna presste die Lippen aufeinander.
    Der Laptop, ein silbermattes und teures MacBook Pro, war ein Geschenk von Sven gewesen. Sie hatte ihn im Sommer zum achtunddreißigsten Geburtstag bekommen. Die Szene stand ihr noch deutlich vor Augen.
    »Nur das Beste für meine Beste«, hatte er gesagt und ihr strahlend das flache Päckchen überreicht.
    »Du Schuft«, hatte sie augenzwinkernd erwidert, denn Sven hatte ihren Wunsch stets als Spinnerei abgetan. »Wie komme ich so plötzlich zu der Ehre? Hast du etwa ein schlechtes Gewissen? Oder willst du etwas von mir?«
    Grinsend hatte er ihre Hüften umfasst. »Sicher, Schatz. Ich will immer etwas von dir.« Und dann hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht, drei Wochen Luxushotel auf Hawaii inklusive.
    »Stell dir das mal vor! Von morgens bis abends nur Sonne, Sex und sich faul am Strand rekeln.«
    Zornig trat Hanna nach einer Wurzel. Wo Sven sich jetzt rekelte, wollte
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