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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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schmeckte Galle. Würgte. Obwohl ihre Kleider warm auf ihrer Haut klebten, fröstelte sie, zitterte haltlos wie ein kleines Kind.
    Dann wandte sie sich von dem Anblick ab und ließ die Augen die Lichtung entlanggleiten. Fieberhaft, voller Angst. Da! Ein leises Rascheln. Gleich darauf knackte es hinter einer Baumgruppe.
Sie war nicht allein!
Langsam ging sie einige Schritte rückwärts, stolperte, fiel, kroch, rappelte sich wieder auf.
    Dann rannte sie, als gelte es ihr Leben.

[home]
2
    K riminalhauptkommissar Moritz Ehrlinspiel bückte sich unter dem rot-weißen Absperrband hindurch. Die junge Polizeibeamtin blieb dicht neben ihm.
    »Da vorne«, sagte sie und deutete auf eine Gruppe Männer, die in weißen Overalls zwischen den Bäumen hin und her gingen. »Die Tote heißt Elisabeth Kühn.«
    Ehrlinspiel schwieg. Die einsetzende Dämmerung tauchte den Ort in ein kühles Zwielicht.
    Er versuchte, die Atmosphäre zu verinnerlichen. Schon mehrmals hatte ihm der erste Eindruck eines Leichenfundorts wichtige Hinweise auf die Umstände eines Gewaltverbrechens geliefert. Menschen töteten nicht irgendwo, an einem x-beliebigen Ort. Oft wählten sie den Schauplatz ihrer Tat oder die Stelle, an der sie ihr Opfer später ablegten, sorgfältig aus.
    Dieses Stück Wald strömte zugleich etwas Märchenhaftes und Bedrohliches aus.
    Die Polizistin führte ihn über die Lichtung, vorbei an den Markierungen, die von den Kriminaltechnikern in den letzten Stunden in den Boden gesteckt worden waren.
    »Elisabeth Kühn?«, hakte Ehrlinspiel nach.
    »Geborene Sommer. Alter: siebenundzwanzig, gemeldet in Berlin. Hatte alle Ausweispapiere bei sich. Sie ist unten im Dorf aufgewachsen. Als Jugendliche ist sie abgehauen und war seither nicht mehr hier. Doktor Brandt, der die Totenbescheinigung ausgestellt hat, kennt die Familie gut. Er steht da vorne, der große schlanke Herr mit den grauen Schläfen. Er kann Ihnen mehr sagen.«
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Eine Wanderin. Sie wartet im Dorf.«
    Ein Mann im weißen Overall trat auf sie zu. »Hallo, Moritz«, sagte er und streifte die Latexhandschuhe ab. »Du kannst loslegen. Wir sind fertig.«
    Die Männer gaben sich die Hand.
    »Irgendetwas Brauchbares?«
    Lukas Felber, der Leiter der Spurensicherung, schüttelte den Kopf. »Wir haben alles durchkämmt. Keine Gegenstände, keine Waffe, nichts. Nicht einmal die üblichen Bonbonpapiere oder Zigarettenkippen. Nur ein paar niedergetretene Stellen im Gras. Und ein schlechtes Sohlenprofil.«
    »Fasern?«
    »Strauchwerk haben wir natürlich gesichert, die Auswertung bekommst du morgen. Da sucht dann auch noch eine Hundertschaft das Gelände großräumig ab.«
    Ehrlinspiel nickte und ging zu der Toten. Bei ihr standen Doktor Brandt und Professor Reinhard Larsson, der Rechtsmediziner aus Freiburg.
    »Willkommen zu unserer fünfundzwanzigsten gemeinsamen Leiche«, begrüßte ihn Larsson.
    »Ehrlinspiel, Kripo Freiburg«, wandte sich der Hauptkommissar an Brandt und warf dem Rechtsmediziner einen verärgerten Seitenblick zu. Der Polizeiberuf brachte Routine mit sich wie jeder andere Job. Aber an die abgebrühte Art von Larsson konnte er sich nur schwer gewöhnen. Jeder gewaltsame Tod rührte etwas in Ehrlinspiel an. Jedes Opfer sprach auf seine eigene Weise zu ihm. Und bei jedem neuen Mordfall erfasste ihn dieselbe Unruhe, drängte ihn, dem Toten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
    Er kniete sich neben die tote Frau. Sie lag auf dem Rücken, die Arme dicht am Körper. Ihre Finger steckten schon in Plastikbeuteln, um eventuelle Abwehrspuren und Hautpartikel unter den Fingernägeln nicht zu zerstören. Der Kopf war auf ein Kissen aus Moos gebettet. Das blonde Haar floss darüber. Als hätte man es ihr sanft aus der Stirn gestrichen, dachte Ehrlinspiel und bat um eine Taschenlampe. Er ließ den Lichtkegel über ihr Gesicht wandern. Die Haut war weißlich violett. Die Augen starrten blicklos und leicht geöffnet in die Weite des Himmels, das Kinn war eingesunken. Auf der rechten Schläfe befand sich eine große Wunde, von der aus sich ein feines Netz aus verklebtem Blut über einige Haarsträhnen und einen Teil der Wange zog. Ehrlinspiel schaute auf den Bauch des Opfers. Von den Brüsten bis zu den Schamhaaren klaffte ein langer tiefer Schnitt, der einen blutigen Blick auf die Eingeweide freigab. Der Leib schien seltsam unförmig für die zierliche Frau.
    »War sie nackt?«, fragte Ehrlinspiel und schluckte hart.
    »Vollständig angekleidet. Sogar der
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