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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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Pullover war wieder über den Bauch gezogen und der Daunenmantel zugeknöpft.« Larsson hielt eine große durchsichtige Tüte mit türkisfarbenem Inhalt hoch.
    »Todesursache?«
    »Bin ich ein Hellseher?«
    »Ich habe sie schon als kleines Kind gekannt«, sagte Brandt plötzlich ganz leise. »Ich war sogar bei ihrer Geburt dabei. Wenn sie krank war, habe ich ihr Hustensaft verschrieben und Wadenwickel gemacht.« Er strich sich über das graue Haar. »Sie wollte die Medizin immer mit ihrem Teddybären teilen. Und jetzt … liegt sie hier, erschlagen.« Er schüttelte den Kopf. »Ein Verrückter. Das muss ein Verrückter gewesen sein.«
    »Erschlagen?« Ehrlinspiel blickte zu dem älteren Mann auf.
    »Die Kopfwunde. So etwas überlebt keiner.«
    »Landarztlogik«, unterbrach Larsson, reckte das Kinn in die Höhe und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die exakte Todesursache kann nur eine fachgerechte Obduktion klären.«
    Ehrlinspiel stand auf und sah den Rechtsmediziner direkt an. »Was ist mit ihrem Bauch?«
    »Sie war schwanger.«
    »Schwanger?« Der Hauptkommissar sah auf den Leichnam hinab. »Und das Kind?«
    »Weg.«
    »Was heißt hier weg?«
    »Nicht mehr vorhanden. Geklaut. Keine Ahnung. Das herauszufinden ist dein Job.«
    Ehrlinspiel wurde wütend. »Du meinst, jemand hat dieser Frau das ungeborene Kind gestohlen?«
    »Wenn man einer Leiche etwas stehlen kann, dann ja. Der Fötus ist aus ihrem Bauch herausgeschnitten worden. Unsachgemäße Sectio caesarea. Laienhafter Kaiserschnitt, wenn du so willst. Ritsch, ratsch.«
    »Reinhard …«, begann Ehrlinspiel, gab es aber sofort wieder auf. Larsson würde seine zynische Art nie ändern. Mitgefühl war ein Fremdwort für ihn und sein Begriff von Ethik dem Kriminalhauptkommissar so fremd wie der außergalaktische Andromedanebel. Dennoch war Larsson ein brillanter Mediziner und konnte sich nächtelang mit den Toten beschäftigen. Am Seziertisch und im Labor entlockte er ihnen auch das verborgenste Geheimnis, klärte die verzwicktesten Todesursachen. So erwies er den Toten auf seine Weise Respekt. Ehrlinspiel arbeitete mit ihm zusammen, seit er vor bald elf Jahren die Polizeihochschule abgeschlossen und eine rassige Studentin seine Heimatstadt Freiburg wieder attraktiv für ihn gemacht hatte. Er brauchte Larssons Hilfe.
    »Kannst du schon etwas über den Todeszeitpunkt sagen?«
    »Tja … die Totenstarre ist noch nicht vollständig eingetreten. Heute Nacht hatten wir beinahe Frost, das zögert den Prozess um das Doppelte hinaus. Rektaltemperatur acht Grad. Exakt wie die Außentemperatur. Sie wiegt etwa fünfundfünfzig Kilo, liegt windgeschützt, es ist nass.« Er legte einen Zeigefinger an den Mundwinkel und lächelte. »Wie du weißt, sehen wir daran, wie schnell die Leiche auskühlt, und können dann zurückrechnen, wann der Tod eingetreten ist. Henßge-Nomogramm.«
    »Jaja, ich weiß.« Ehrlinspiel trat ungeduldig von einem Bein auf das andere.
    »Am frühen Nachmittag haben wir die Totenstarre an einem Arm künstlich gebrochen. Zur Sicherheit. Und was, meinst du, ist passiert?«
    »Bitte, Reinhard, komm zur Sache.«
    Larsson hob einen Arm der Toten an. »Siehst du? Stocksteif.« Er ließ ihn wieder fallen.
    Ehrlinspiel zuckte innerlich zusammen. Er durfte jetzt nicht daran denken. Rasch zwang er seine Gedanken in die Gegenwart zurück.
    »Die Totenstarre ist wieder eingetreten«, erläuterte Larsson. »Das funktioniert nur in einem bestimmten Zeitraum nach dem Tod. Etwa vierzehn bis achtzehn Stunden danach, je nach Umgebungsbedingungen. Der Grund dafür ist der Muskelmetabolismus, der –«
    »Wann?«
    »Gestern zwischen achtzehn und zweiundzwanzig Uhr.« Er stülpte mit geübtem Griff einen Plastikbeutel über den Kopf der Toten. »Und dann wurde das Kind aus dem Bauch geschnitten.«
    »Also nach ihrem Tod?«
    »Vermutlich nicht gleich danach. Siehst du die Wundränder hier an der Bauchdecke? Sie sind nicht sonderlich blutig. Der mütterliche Kreislauf war wohl schon zum Erliegen gekommen.«
    »Müsste das nicht trotzdem ein Blutbad gewesen sein?«
    »Nicht unbedingt. Das Blut sinkt im Leichnam nach unten. Die Bauchdecke aufzuschneiden ist also noch unblutig. Erst das Öffnen des Uterus hat das Blut in den benachbarten Bauchraum und auch nach außen fließen lassen. Je weniger Blut, desto später das Herausschneiden – vereinfacht gesagt. Aber«, er deutete neben die Tote, wo der Boden fast schwarz verfärbt war, »mit der Menge hier können wir
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