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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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nicht arbeiten. Du weißt, wie leicht man sich verschätzt, wenn das Blut in die Erde gesickert ist.« Larsson nahm zwei weitere Plastiktüten und verpackte die Füße.
    »Wurde sie vergewaltigt?«
    »Abwarten.«
    »Sie ist also hier gestorben?«
    »Wahrscheinlich. Das Baby jedenfalls ist hier und in ihrer jetzigen Lage herausgeschnitten worden. Die Techniker haben aber ein paar Meter weiter geringe Mengen Blut gefunden. Wohl aus der Kopfwunde. Dann wäre sie dieses kleine Stückchen transportiert worden. Allerdings könnte ihr die Verletzung auch an einem ganz anderen Ort zugefügt worden sein. Oder post mortem.« Reinhard Larsson hob leicht den Kopf und lächelte zu Doktor Brandt. »Und sie ist vielleicht an etwas ganz anderem gestorben.«
    »Sonst noch etwas?«, fragte Ehrlinspiel.
    »Falls sie umgelagert wurde, zum Beispiel, um das Kind herauszuschneiden, dann war das in den ersten fünf, sechs Stunden nach ihrem Tod.« Larsson drückte auf die rotblauen Hautflächen, die die Tote an den bodennahen Stellen aufwies. »Die Leichenflecke befinden sich genau dort, wo sie in ihrer jetzigen Lage entstehen würden. Sie können ihre Position nur in den ersten Stunden komplett ändern. Danach werden sie fest.«
    Nachdenklich ging Ehrlinspiel davon, als Larsson ihm nachrief. »Das Kind …«
    Er sah zurück. »Ja?«
    »Das war längst tot beim Aufschlitzen des Bauches. Es hat nicht gelitten, falls dich das beruhigt.«
    »Danke«, murmelte Ehrlinspiel. Er schlang seinen langen Mantel enger um sich und ging zurück zur Absperrung. Die Kriminaltechniker packten bereits ihre Geräte in die großen Koffer.
    Der Hauptkommissar beobachtete die letzten Arbeiten. Die Tote ist eine schöne Frau gewesen, dachte er. Und sie wurde fast schon liebevoll gebettet. Was ist das für ein Mörder, der sich die Mühe macht, seinem Opfer ein Kopfkissen aus Moos herzurichten? Und die Frau nach der Tat wieder anzukleiden? Hatte er Elisabeth Kühn gekannt, vielleicht sogar geliebt? Oder war es einer von diesen Getriebenen, den psychisch Kranken, die wahllos töten und dabei an einen religiösen Auftrag glauben? Und wer war hier überhaupt das eigentliche Opfer? Die Frau? Das Kind? War es denkbar, dass jemand die werdende Mutter getötet hatte, um das Baby an sich zu bringen?
    Ehrlinspiel vergrub die Hände tief in den Manteltaschen. Ein erwachsenes Mordopfer war schon schrecklich genug. Aber ein totes Kind – das berührte ihn jedes Mal zutiefst und erschütterte seinen Glauben an das Gute im Menschen.
    Er wusste, dass manche Kollegen ihn deshalb belächelten. Schließlich hatte er schon genug Mördern ins Gesicht geblickt. Mördern, die Blutbäder angerichtet, vergewaltigt, Leben zerstört hatten. Die keinen Funken Reue zeigten, oft sogar noch stolz auf sich waren. Dennoch … Ehrlinspiel konnte in fast jedem Menschen einen letzten Rest Anstand entdecken. Einen positiven Wesenszug, der tief verschüttet unter dem Bösen lag. Was nicht bedeutete, dass er Gewaltverbrechern Sympathie entgegenbrachte. Die meisten widerten ihn an.
    Ein Techniker schleppte eine Kameraausrüstung an ihm vorbei und hob zum Abschied kurz die Hand. »Du hast die Bilder noch heute Nacht auf dem Rechner.«
    Der Hauptkommissar blickte dem Mann hinterher. Wie gern wäre er jetzt mit seiner eigenen Kamera unterwegs, würde in Irland schroffe Küsten im Sonnenaufgang einfangen oder Nomaden in der Sahara porträtieren. Oder Bentley und Bugatti in Szene setzen. Mit einer Fotoserie seiner Siamkatzen war er im letzten Jahr als
Catlife Photographer of the Year
geehrt worden. Aber das war nun in weite Ferne gerückt. Wieder einmal.
    Er suchte die Polizistin, die ihn hierhergeführt hatte. Sie hatte sich als Polizeiobermeisterin aus dem örtlichen Polizeiposten vorgestellt und war als erste Kollegin am Fundort der Leiche gewesen. Die Situation hatte sie sofort richtig eingeschätzt und die Einsatzleitzentrale alarmiert. Jetzt, als er sie gefunden hatte, wirkte sie blass und erschöpft in ihrer Uniform. Ihren Namen hatte Ehrlinspiel im Trubel vergessen.
    »Haben Sie die Familie schon verständigt?«, fragte er.
    »Nein.« Sie hob die Hände. »Aber hier bleibt nichts unbemerkt. Schon gar nicht ein solches Polizeiaufgebot. Ich wette, das ganze Dorf weiß bereits Bescheid.«
    »Bringen Sie mich hin«, bat Ehrlinspiel, während der Bestatter den Leichnam in einen großen Sack legte und vorsichtig in den Zinksarg hob. Larsson würde gleich morgen früh obduzieren. Die zweite
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