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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo
Autoren: Michael Connelly
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wissen.«
    Sakai fuhr fort, die Fingerabdrücke zu nehmen, dann reichte er Bosch die Karte.
    »Tüten Sie die Hände ein«, sagte Bosch zu ihm, obwohl es nicht nötig war. »Und die Füße.«
    Er stand wieder auf und wedelte mit der Karte, um die Tinte zu trocknen. In der anderen Hand hielt er die Plastiktüte mit den Beweisstücken, die Sakai ihm gegeben hatte. Darin hielt ein Gummiband eine Injektionsspritze, eine kleine Ampulle, halbvoll mit etwas, das wie schmutziges Wasser aussah, ein Stück Watte und ein Streichholzheftchen zusammen. Es war ein Fixerbesteck, und es sah ziemlich neu aus. Die Nadel war sauber, ohne jede Spur von Rost. Die Watte, schätzte Bosch, war nur ein- oder zweimal als Sieb benutzt worden. In den Fasern sah man winzige, weißlich braune Kristalle. Als er den Beutel umdrehte, konnte er beide Seiten des Streichholzheftchens sehen und ihm fiel auf, daß nur zwei Streichhölzer fehlten.
    In diesem Augenblick kam Donovan aus dem Rohr gekrochen. Er trug einen Bergarbeiterhelm mit einer Grubenlampe. In einer Hand hielt er mehrere Plastiktüten, in denen sich jeweils vergilbtes Zeitungspapier, Lebensmittelverpackungen, eine zerdrückte Bierdose befanden. In der anderen hielt er ein Klemmbrett, auf dem eingezeichnet war, wo jeder dieser Gegenstände in der Röhre gelegen hatte. Spinnweben hingen an den Seiten des Helms. Schweiß lief über sein Gesicht und verfärbte die Atemmaske, die er über Mund und Nase trug. Bosch hielt die Tüte mit dem Fixerbesteck hoch. Abrupt blieb Donovan stehen.
    »Hast du da drinnen eine Pfanne gefunden?« fragte Bosch.
    »Scheiße, das ist ein Junkie?« sagte Donovan. »Ich wußte es. Wozu machen wir hier den ganzen Mist?«
    Bosch antwortete nicht. Er wartete ab.
    »Ja, ich habe eine Coladose gefunden«, sagte Donovan.
    Der Spurensicherungsexperte sah die Plastiktüten durch und reichte Bosch eine herüber. Sie enthielt zwei Hälften einer Coladose. Die Dose sah einigermaßen neu aus und war mit einem Messer in zwei Teile geschnitten worden. Die untere Hälfte hatte man umgedreht und die konkave Oberfläche als Pfanne benutzt, um darin Heroin und Wasser zu kochen. Die meisten Junkies benutzten keine Löffel mehr. Einen Löffel bei sich zu haben, war ein möglicher Grund, verhaftet zu werden. Dosen waren leicht zu beschaffen, leicht zu benutzen und zu vernichten.
    »Wir brauchen die Fingerabdrücke vom Besteck und von der Pfanne, so bald wie möglich«, sagte Bosch. Donovan nickte und schleppte die Plastiktüten zum Transporter. Bosch wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Männern vom Coroner zu.
    »Er hat kein Messer bei sich, stimmt’s?« sagte Bosch.
    »Stimmt«, sagte Sakai. »Wieso?«
    »Ich brauche ein Messer. Unvollständiger Tatort ohne Messer.«
    »Na und? Der Typ ist ein Junkie. Junkies beklauen andere Junkies. Wahrscheinlich haben seine Kumpels es mitgenommen.«
    Sakai krempelte die Ärmel des Toten auf. Zum Vorschein kam ein Muster aus vernarbter Haut an beiden Armen. Alte Einstichspuren, Krater von Abszessen und Infektionen. In der Beuge des linken Armes waren ein frischer Einstich und unter der Haut eine rötlichgelbe Blutung zu sehen.
    »Bingo«, sagte Sakai. »Ich würde sagen, der Typ hat sich die volle Dröhnung in den Arm geknallt und pfifft, das war’s. Wie gesagt, Sie haben hier einen Drogenfall, Bosch. Ihr Tag ist heute früh zu Ende. Holen Sie sich eine Karte für die Dodgers.«
    Bosch ging wieder in die Hocke, um genauer hinsehen zu können.
    »Das erzählt mir hier jeder«, sagte er.
    Und wahrscheinlich hat Sakai recht, dachte er. Aber noch wollte er diesen Fall nicht zu den Akten legen. Zuviel paßte nicht zueinander. Die fehlenden Spuren im Rohr. Das Hemd über den Kopf gezogen. Der gebrochene Finger. Kein Messer.
    »Wie kommt es, daß sämtliche Einstiche alt sind, bis auf den einen?« fragte er mehr sich selbst als Sakai.
    »Wer weiß?« antwortete Sakai trotzdem. »Vielleicht war er eine Zeitlang nicht drauf und hat beschlossen, wieder anzufangen. Einmal Junkie, immer Junkie. Die brauchen keine Gründe.«
    Beim Betrachten der Einstiche im Arm des toten Mannes bemerkte Bosch kurz unter dem Ärmel, der am linken Bizeps zusammengerollt war, blaue Farbe auf der Haut. Er sah nicht genug, um erkennen zu können, was es war.
    »Ziehen Sie das hoch«, sagte er und zeigte darauf.
    Sakai schob den Ärmel bis zur Schulter und legte eine Tätowierung aus roter und blauer Tinte frei. Es war eine karikierte Ratte, die auf den Hinterbeinen hockte und
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