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Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin
Autoren: Marie Hagemann
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steh mehr auf Action. Wir alle.
    Da war noch einer bei uns. Der war eigentlich mit bei den ersten. Netter Typ. Der widersprach zwar häufiger, wenn einer was erzählte. Zum Beispiel das mit dem Judenumbringen im Dritten Reich, daß das gar nicht so doll gewesen wäre. Da widersprach er. Sagte, daß man sich doch nicht vierzig Jahre lang geirrt haben kann. Das paßte uns allen nicht. Denn wenn schon, dann muß man doch zusammenhalten. Denken und Widersprechen ist dann nicht angesagt.
    Erschien auch nicht wieder, der Typ. Mir egal. Hauptsache, wir tranken einen zusammen. Hörten unsere Musik. Sangen unsere Lieder. Machten was los. Das war ganz wichtig. Dazu alle gleich – gleiche Klamotten, gleich rasierter Kopf. Bierflasche in der Hand, durch die Stadt ziehen und welche anmachen. Randale. Das brachte was. Zoff.

2
     
     
     
    Wir sind alle noch einmal hinuntergegangen in unsern Bunker. Dolfs Vater hatte uns den ja besorgt. Er wohnt oben im Haus. Das war mal sein Waschkeller, liegt ganz für sich in einem Extraflur. War natürlich ideal für uns: erst noch ‘ne Flurtür zum Abschließen. Da konnten wir richtig sprechen, unsere Lieder singen und die Musik laut stellen. Es war natürlich ein Keller, klar. Mit kleinen Fenstern, durch die kaum Licht hereinkam.
    Wir hatten die Wände angestrichen, einen Tisch in die Mitte gestellt. Fahnen an die Wand gehängt, die deutsche und auch die Hakenkreuzfahne. Auch die war von Dolfs Vater. Wir rollten sie abends immer ein, wenn wir gingen. Das war sonst zu gefährlich. Meinte Dolfs Alter auch.
     
     
    Wir saßen in unserm Keller. Da fühlt man sich verbunden. »Wir gegen die Welt. Im Bunker, wie der Führer«, hat der Alte gesagt. »Die andern können uns nichts.«
    Und wenn wir so ‘ne bestimmte Menge Bier drin haben, gehen wir los und machen einen drauf. Randale. Zoff. Das macht Spaß.
    Und an dem Abend auch.
    Meine Wut von dem Überfall war noch voll da. Hab rumgeguckt im Keller. Da hingen Fahrrad- und Motorradketten an der Wand. Für alle Fälle. Das hat mich angeturnt. Hab mir eine genommen. Ich wollte auch erst meinen Schlagring nehmen, hab ich dann aber doch nicht gemacht. Ich hab die Kette unter meine Jacke gesteckt. Die andern hatten auch Ketten und Baseballschläger.
    Wir waren zu fünft. Sind die Hauptstraße rauf. Richtung Bahnhof. Da kam uns ein Türke entgegen. So an der Seite. Versteckt. Ich meinte, ich hätte noch einen zweiten gesehen. War aber wohl nicht. Ich hab meine Kette einmal geschwungen. Der Türke zuckte zusammen, wollte abhauen. Das hat mich erst richtig angeturnt. Ich hab mich noch einmal umgesehen. Da war doch noch ein zweiter, oder? Ich war sicher, ich hatte mich nicht vertan. Aber ich sah ihn nicht. Das machte die Wut natürlich noch größer. Ich bin also auf den einen Türken zu. Mit der Kette natürlich. Ich hatte mich vorher noch einmal schnell umgesehen. Außer uns war keiner da. Alles leer. Es war wohl schon nach zehn, und da ist in unserer Stadt tote Hose. Ich ging auf ihn los. Die Kette schlug auf die Straße. Da hat der Kerl doch echt sein Messer gezogen! Die können’s einfach nicht lassen. Ich hab mal so gehauen. Nur so aus Spaß. Die andern kamen. Wir standen um ihn herum. Er winselte wie ein Hund. Fried hat auch noch zugeschlagen. Und noch mal. Die Kette hat den Ali am Kopf getroffen. Fried hat weitergehauen. Wir andern haben geguckt. Der Türke blutete. Aber nicht viel. Er stürzte zu Boden, und Fried und Jon haben weiter draufgehauen. »Jetzt reicht’s«, sagte ich. »Das ist kein Joke mehr.«
    Aber erst als der sich nicht mehr regte, haben wir ihn liegenlassen und sind ab. »Der schläft jetzt ein bißchen. Gute Nacht!« Wir haben uns kaputtgelacht.
    »Das war vielleicht zuviel«, hat Andy gesagt.
    »Kanake«, sagte Fried. »Es war doch nur ein Kanake, und wenn wir die raushaben wollen, dann wollen wir die eben raushaben, und dann muß man halt so lange was tun, bis die von selbst unser Land räumen.«
    »Ein paar von denen auf einmal, das würde Spaß machen. Erst so ‘n bißchen Action, dann erst Fahrradkette und Messer.« Ich weiß, früher hab ich immer gedacht: Fahrradketten und Motorradketten und Schlagringe und Messer, das wäre unfair. Denk ich auch heute noch. Aber es macht Spaß, so die blanke Angst in den Augen des andern zu sehen. Da fühlt man sich toft. Dann ist es wieder da, das Gefühl, wer zu sein.
    Und den Türken wollen wir angst machen. Warum also nicht?
    »Ein Türke weniger!« sagte Dolf an der Kreuzung.
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