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Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin
Autoren: Marie Hagemann
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dazu?« hab ich gefragt. Aber einer von denen hatte schon den Durchsuchungsbefehl in der Hand.
    Andy neben mir war nervös, das merkte ich. Der hatte halt noch nicht soviel Übung. Der würde uns noch alle verplappern.
    Ganz automatisch hab ich den Schlüssel gezogen. Die Bullen guckten in ein dunkles Loch.
    »Bitte«, sagte ich. Ich war ziemlich sicher, denn die Sachen waren ja weg. Auch die Ketten von gestern abend. Ich glaube, da war noch Blut dran. Und Fingerabdrücke. Das hätte gereicht.
    Ein Bulle machte das Licht an. Die Lampe hing über dem Tisch in der Mitte und machte den Raum ziemlich hell. In der Ecke lagen noch Andys Matratze und ein Bündel mit Klamotten. Das Regal war leer. Aber es waren Staubspuren da. Man sah deutlich, daß da Kisten gestanden hatten. Ein Bulle fragte gleich danach, aber ich sagte ihm, daß ich nichts sagen würde. Nur daß wir uns hier halt träfen und ob man das etwa nicht dürfte. Dann wollte er wissen, was wir so machten, wenn wir uns hier träfen.
    »Wir erzählen uns Jokes aus unserer Jugend«, sagte ich grinsend. Ich konnte es mir nicht verkneifen.
    »Und die deutsche Fahne?« fragte er.
    »Na und, ist die etwa verboten?« fragte ich zurück.
    Andy sagte nichts. War auch gut so. Er war noch zu neu. Und überhaupt.
    Wie viele wir denn wären, wollte der Bulle wissen.
    »Skins seid ihr?« fragte ein anderer.
    »Nee, eigentlich nicht«, sagte Andy.
    »Nationalsozialistisch?«
    »Nee, mehr kaiserlich«, hab ich gesagt und gegrinst und meine Finger gespreizt. Da steht in SS-Runen HASS eintätowiert. Ist mein Leitspruch.
    Er fragte noch mal, wie viele wir wären. Wurde lauter.
    »Zwei«, sagte Andy auf einmal. »Das sehen Sie doch!« Ich mußte grinsen, war echt ‘ne starke Antwort.
    »Ihr kommt mit«, sagten die Bullen.
    »Wie kommen wir dazu?« fragte ich.
    Andy mußte sagen, in welche Schule er ging. »Gesamtschule Wielsdorf«, sagte er. Die Bullen guckten sich an, als wollten sie sagen: »Schon wieder.«
    Wir mußten dann mit, in einem Bullenwagen mit Gittern. Ich glaub, für Andy war es das erste Mal. Mir war in dem Augenblick alles egal. Dachte nur an den zweiten Türken. Hatte uns verpfiffen, der Knoblauchfresser. In mir stieg die Wut hoch. Unser Bunker. Jetzt war er nicht mehr. Hat doch das Türkenschwein seinen Kumpel im Blut liegenlassen und ist Andy und Dolf nachgeschlichen. Scheiße, unser Bunker war weg. Ich hatte Angst. War nur einmal in U-Haft gewesen, drei Tage. Und jetzt?
    Der Türke war tot. Aber die Bullen konnten uns nichts beweisen.
     
     
    »Irgendwie tut mir das leid«, hat Andy gesagt, als wir wieder auf der Straße standen.
    »Das macht doch nichts«, hab ich gelacht. »Nicht so zimperlich! Von dem Ungeziefer haben wir genug. Einer mehr oder weniger, was soll’s?«
    »Mensch ist Mensch«, sagte Andy. Aber nur zu mir. Zum Glück.
    Ich hab ihm nur gesagt, daß das nicht stimmt. »Deutsche sind Deutsche, und Türken sind Türken. Und Türken sollen bleiben, wo sie hingehören. Sind selbst schuld, wenn wir sie plattmachen.«
    Mich ließen Türken auf jeden Fall völlig kalt. Ich hab da ‘ne ganz coole Einstellung, und ich steh eben nur auf uns und nicht auf diese Knoblauchstinker.

4
     
     
     
    Als ich zwölf war, hatten wir unsere Bande gegründet. Ein paar aus meiner Klasse. Dolf war auch schon dabei, auch Fried. Und Jon. In der Nähe von unserer Schule war ein herrliches großes Gelände. Vier Laubenkolonien, Tennisplätze, ein Sportplatz. Eine alte Bahnlinie führte mittendurch. Kleiner Wald und Bänke.
    Oft haben wir abends in dem kleinen Tunnel unter dem Bahndamm gesessen, geraucht. Wir haben uns gefühlt wie Großstadtkids. New York oder so. Hatten ‘nen Kassettenrecorder dabei, der ziemlich laut dröhnte. Störte hier keinen. Wir waren frei. Haben auch kleine Diebstähle gemacht, in den Laubenkolonien, war aber nicht viel zu holen. Wir sind auch in Kaufhäuser gegangen und haben kleine Sachen mitgehen lassen. Kassetten und so. Dann haben wir angefangen, an der Schule Fahrräder zu klauen. Da fing das dann auch an, daß wir blaumachten. Wir konnten die Fahrräder für hundert Mark verkaufen und haben uns dann Zigaretten, Bier und Musik besorgt.
    Wir fühlten uns toft zusammen. Da fing es auch an, daß wir nachts nicht nach Hause gingen. Mein Vater machte sowieso immer nur Randale. Meine Mutter guckte mich nur traurig an und sagte: »Wolf«, dieses »Wolf«, das mir damals noch durch Mark und Bein ging.
    Fried hatte sich den Namen Crazy Fried
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