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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag
Autoren: Thomas Harris
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Hand mit der Pistole wurde zurückgezogen. »Dschinnij«, sagte sie leise.
»Steig aus und folge mir.« Er ließ die arabischen Worte im
    Dialekt des Jabal ineinanderfließen.
    Ein strenges Tribunal erwartete Dahlia Iyad in dem stillen Zimmer in Beirut. Hafez Nadscheer, Chef der Eliteeinheit Jihaz alRasd (RASD), des Geheimdienstes der El-Fatah, saß, den Kopf an die Wand zurückgelehnt, hinter einem Schreibtisch. Er war sehr groß und hatte einen unverhältnismäßig kleinen Kopf. Seine Untergebenen nannten ihn insgemein »die Gottesanbeterin«. Sie fürchteten ihn und zitterten vor seinem Zorn.
    Nadscheer war der Leiter des »Schwarzen September«. Er hielt nichts von Begriffen wie »Nahost-Situation«. Die Rückgabe Palästinas an die Araber hätte ihm keine Genugtuung bereitet. Er glaubte an Massenvernichtung, an das läuternde Feuer. Dahlia Iyad teilte diesen Glauben.
    Und das taten auch die beiden anderen Männer, die sich in dem Raum befanden: Abu Ali, der die Aktionen der Todeskommandos des »Schwarzen September« in Italien und Frankreich steuerte, und Muhammad Fasil, Waffenexperte und Regisseur des Überfalls auf das Olympische Dorf in München. Beide waren Angehörige des RASD, die Köpfe des »Schwarzen September«. Ihre Stellung wurde von der größeren palästinensischen Guerillabewegung nicht anerkannt. Der »Schwarze September« existierte in der El-Fatah so, wie ein Verlangen im Körper des Menschen existiert.
    Diese drei Männer hatten beschlossen, daß der »Schwarze September« in den Vereinigten Staaten zuschlagen sollte. Über fünfzig Pläne waren entworfen und wieder verworfen worden. Unterdessen trafen im Hafen von Haifa nach wie vor Mengen amerikanischen Kriegsmaterials für die israelischen Truppen ein.
    Dann hatte sich plötzlich eine Möglichkeit gezeigt, und wenn Nadscheer den Plan jetzt endgültig billigte, würde von nun an die Mission ganz in den Händen dieser jungen Frau liegen.
    Sie warf ihre dschellaba auf einen Stuhl und wandte sich den drei Männern zu. »Guten Abend, Genossen.«
»Willkommen, Genossin Dahlia«, sagte Nadscheer. Er war nicht aufgestanden, als sie das Zimmer betrat. Auch die beiden anderen waren sitzen geblieben. Dahlias äußere Erscheinung hatte sich während ihres einjährigen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten verändert. Sie sah elegant aus in ihrem schicken Hosenanzug und wirkte fast ein wenig entwaffnend.
»Der Amerikaner ist bereit«, sagte sie. »Ich bin davon überzeugt, daß er die Aktion durchführen wird, bis zum Ende. Er lebt dafür.«
»Wie standhaft ist er?« fragte Nadscheer und sah sie an, als wollte er mit seinen Blicken ihren Schädel durchbohren.
»Standhaft genug. Ich unterstütze ihn. Er ist von mir abhängig.«
»Ich habe das deinen Berichten entnommen. Aber der Kode ist eine mühsame Sache. Es gibt Fragen. Ali.«
Abu Ali sah Dahlia aufmerksam an. Sie kannte ihn. Sie hatte seine Vorlesungen über Psychologie an der Amerikanischen Universität in Beirut gehört.
»Der Amerikaner macht also immer einen vernünftigen Eindruck?« fragte er.
»Ja.«
»Trotzdem hältst du ihn für geisteskrank?«
»Geisteskrankheit und scheinbar vernünftiges Verhalten schließen einander nicht aus, Genosse.«
»Nimmt seine Abhängigkeit von dir zu? Gibt es Phasen, in denen er sich dir gegenüber feindselig verhält?«
»Er ist zuweilen feindselig, aber jetzt nicht mehr so oft.« »Ist er impotent?«
» Er sagt, er war impotent - von der Zeit seiner Freilassung in Nord-Vietnam bis vor zwei Monaten.« Dahlia beobachtete Ali. Mit seinen kleinen, flinken Gebärden und seinen feucht schimmernden Augen erinnerte er sie an eine Zibetkatze.
»Hältst du es für dein Verdienst, daß er seine Impotenz überwunden hat?«
»Das hat nichts mit Verdienst zu tun, Genosse. Es ist eine Frage der Macht, der Gewalt über ihn. Und mein Körper ist ein nützliches Werkzeug, um den Amerikaner fest in der Gewalt zu behalten. Wenn eine Pistole zweckmäßiger wäre, würde ich eine Pistole benutzen.«
Nadscheer nickte zustimmend. Er wußte, daß sie die Wahrheit sagte. Dahlia hatte bei der Ausbildung der drei japanischen Terroristen geholfen, die in der Ankunftshalle des Flughafens Lod bei Tel Aviv wahllos in die Menge geschossen und ein Blutbad angerichtet hatten. Ursprünglich waren es vier japanische Terroristen gewesen. Einer jedoch verlor beim Training die Nerven, und Dahlia hatte ihn vor den Augen der anderen drei mit einer Schmeisser niedergeschossen.
»Woher willst du
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