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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag
Autoren: Thomas Harris
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konnte. Er sah, wie der Luftstrom des Rotors Kabakov herumschleuderte, als er an dem öligen Kabel hinunterglitt. Um den Gürtel hing ihm ein Seil. Jetzt waren sie über Moschevsky. Moschevsky beugte sich nach hinten, immer weiter nach hinten.
Kabakov stieß einen Fuß in den Ladehaken. Er konnte Corleys Gesicht sehen. Corley als Bauchmann, dachte er. Er sprach in das Mikrofon an seinem Kopfhörer. Der Haken rutschte tiefer. Kabakov war jetzt neben der Flosse. Nein. Die Flosse hob sich, schwang hin und her, versetzte Kabakov einen Schlag, stieß ihn weg. Schon pendelte er wieder gegen das Leitwerk. Er zog das Nylonseil zwischen Ruder und Flosse durch, zog es durch den Haken, gab ein Handzeichen, und nun suchte der Hubschrauber mit aller Macht Höhe zu gewinnen. Das Kabel, an dem Kabakov hing, wurde starr wie eine Stange aus Stahl.
Lander, der auf dem blutverschmierten Boden der Gondel auf die Zündschnur zukroch, fühlte, wie der Boden sich plötzlich vor ihm hob. Er rutschte zurück und tastete nach einem Halt.
Der Helikopter peitschte die Luft. Das Heck des Luftschiffs hob sich jetzt im Winkel von 50 Grad, und die Nase schleifte über das Spielfeld. Die Zuschauer rannten schreiend zu den bereits verstopften Ausgängen und trampelten sich gegenseitig nieder. Lander hörte sie ringsumher schreien. Er näherte sich kriechend der Zündschnur, das Feuerzeug in der Hand.
Die Nase des Luftschiffs schleifte jetzt die Tribünen hinauf. Die Zuschauer versuchten ihr auszuweichen. Sie stieß gegen die Fahnenmasten am oberen Tribünenrand, rutschte hinüber, kam frei, hob sich und glitt über die Häuser hinweg. Mit kreischendem Motor schleppte der Helikopter das Luftschiff in Richtung des Flusses. Corley sah Kabakov auf dem Leitwerk stehen und sich am Kabel halten.
»Wir kommen noch zum Fluß, wir schaffen es bis zum Fluß«, sagte Jackson wieder und immer wieder, während der Anzeiger für die Motortemperatur längst im roten Feld stand. Sein Daumen lag auf dem roten Auslöseknopf.
Lander kämpfte sich die noch fehlenden Zentimeter an die Zündschnur heran und knipste sein Feuerzeug an.
Moschevsky drängte sich die Tribüne hinauf. Über dem Fluß sah er sekundenlang den Hubschrauber, das Luftschiff, den Mann auf dem Leitwerk, und dieser Anblick prägte sich auf ewig in Moschevskys Bewußtsein ein. Dann ein blendender Blitz und ein Donnerschlag, als wolle die Welt untergehen. Die Druckwelle warf ihn um. Die Tribünen erbebten. Schrapnell zwitscherte durch das Laub der Bäume am Fluß, die von dem Luftdruck entwurzelt wurden, und das zu Schaum gepeitschte Wasser wurde beiseite gedrückt, es entstand ein leerer Raum, der sich sogleich wieder tosend füllte, und für einen Augenblick türmten sich die Wassermassen zu einem Berg, der in den Rauch aufragte. Sekunden später prasselten flußabwärts Schrapnellgeschosse wie Hagelkörner auf das Wasser herab und klirrten gegen eiserne Schiffsrümpfe.
Rachel, die im Dachrestaurant des internationalen Handelszentrums ein verspätetes Mittagessen zu sich nahm, sah über die Häuser hinweg den Blitz. Sie sprang auf, der schlanke Wolkenkratzer bebte, Scheiben zersprangen, und sie stürzte. Ringsum klirrten Glassplitter. Sie lag auf dem Rücken, sah den Tisch über sich und wußte, was geschehen war. Mühsam erhob sie sich. Neben ihr saß eine Frau mit weit geöffnetem Mund auf dem Fußboden.
Rachel sah sie an. »Jetzt ist er tot«, sagte Rachel Bauman. Die Zahl der Opfer belief sich auf 512 Personen. Im Stadion wurden vierzehn Personen an den Ausgängen zu Tode getrampelt, 52 trugen Knochenbrüche davon, die übrigen Schnitt- und Platzwunden. Unter letzteren befand sich auch der Präsident der Vereinigten Staaten. Er zog sich seine Verletzungen zu, als zehn Agenten des Secret Service sich schützend über ihn warfen. In der Stadt wurden 116 Personen durch umherfliegende Glassplitter leicht verletzt.
Um die Mittagszeit des folgenden Tages standen Rachel Bauman und Robert Moschevsky auf einem Anlegesteg am nördlichen Ufer des Mississippi. Seit Stunden sahen sie zu, wie die Wasserpolizei den Fluß absuchte. Man hatte die ganze Nacht über mit Netzen nach sterblichen Überresten gefischt. Gleich in den ersten Stunden waren einige verkohlte Metallteile des Hubschraubers gefunden worden, danach nichts mehr.
Moschevsky stand unbeweglich da. Er ließ die Polizeiboote nicht einen Moment aus den Augen. Neben ihm auf dem Steg stand seine Reisetasche. Am Nachmittag, in drei Stunden, sollte er
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