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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar
Autoren: Thilo Scheurer
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Zehneuroschein auf die Theke. »Wodka, aber doppelt«, verlangte er. In seinem derb klingenden Akzent klang es eher wie ein Befehl denn wie eine Bitte.
    So viel Dreistigkeit machte ihn einen Moment lang sprachlos. Was bildete sich dieser Kerl ein? Eine dicke Lippe riskieren, aber nicht mal richtig Deutsch können, pah! Ihm lag ein geharnischter Protest auf der Zunge, doch ein unbestimmtes Gefühl ließ ihn schweigen. War es ratsam, den Muskelprotz gegen sich aufzubringen? Dieser bullige Kerl – der Aussprache nach ein Osteuropäer – schien nicht nur unverfroren, sondern auch noch bärenstark. Grund genug, den Ärger fürs Erste hinunterzuschlucken. Er beschloss, ihn stattdessen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
    So ungewöhnlich wie die Statur des Glatzkopfs war dessen »modisches« Äußeres. Über einem ehemals weißen Hemd spannte sich ein knapp sitzender schwarzer Anzug, der die aufgepumpten, steroidverdächtigen Muskelpakete eher hervorhob, als dass er sie verbarg. Mit dem harten Akzent und dem blank polierten Schädel erinnerte er ihn verdammt an einen russischen Popen.
    Er kam nicht dazu, seine Begutachtung fortzuführen, denn kaum hatte der Kerl seinen Drink erhalten, da drehte er sich um, und zwar so ungestüm, dass gut die Hälfte des Wodkas auf seinem Mantel landete. »Können Sie nicht aufpassen?«, fauchte er erbost. »So eine Scheiße aber auch … Jetzt haben Sie mit Ihrem Gesöff meinen Mantel ruiniert.«
    Der Glatzkopf zeigte sich davon nur wenig beeindruckt. »Aber, aber, Herr Hauschild, warum denn gleich aus Rolle fallen?«, radebrechte er. Trotz des vordergründigen Spotts war ein gefährlicher Unterton in seiner Stimme nicht zu überhören.
    Einen Augenblick lang war er wie vor den Kopf geschlagen. »Sie … Sie kennen meinen Namen?«
    »Ist gute Frage«, erwiderte der Glatzkopf gelassen und richtete den Blick zur Decke. Als habe er dort die gesuchte Antwort gefunden, senkte er anschließend den Kopf und fasste sein Gegenüber ins Auge. »Thorsten Hauschild, frei arbeitender Fi… äh, wie heißt? Richtig: Finanzberater. Wohnen in Konstanz, vierunddreißig Jahr, geschieden, kinderlos«, leierte er herunter. »Sie wollen wissen, woher ich habe Information? Ist gemeinsamer Bekannter. Hat gebeten, sich … äh … ein wenig um Sie zu kümmern.«
    »Gemeinsamer Bekannter? Wer soll das sein?« Hauschilds Augen verengten sich zu Schlitzen. »Sagen Sie mal … was läuft hier eigentlich?«
    »Psst, nicht hier«, beschied ihn der Glatzkopf. Mit einem Kopfnicken verwies er auf die neugierigen Blicke der Umstehenden und fügte halblaut hinzu: »Gehen Sie einfach zu Ihrem Wagen. Dort Sie finden Antwort.« Noch ehe Hauschild etwas erwidern konnte, machte er kehrt und stakste davon.
    Zum Teufel, dachte Hauschild, was geht hier eigentlich vor? In was bin ich da hineingeraten?
    Dieses merkwürdige Zusammentreffen konnte kein Zufall sein. Ganz im Gegenteil, alles sprach dafür, dass der Glatzkopf es bewusst herbeigeführt hatte. Nur weshalb? Sosehr er sich darüber auch den Kopf zerbrach, es fiel ihm keine passende Antwort ein. Wahrscheinlich war es das Beste, der Anweisung zu folgen und zurück zum Wagen zu gehen.
    Ohne lange zu überlegen, eilte er die Treppe hinab. Kurz vor dem letzten Absatz stoppte er und hielt sich am Geländer fest. Was, wenn das Ganze eine Falle war? Dann würde er geradeswegs in sein Verderben rennen. Bei den Lichtverhältnissen hier unten wäre ein tätlicher Angriff vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen, und da die Mehrzahl der Wagenbesitzer sich noch immer auf dem Oberdeck aufhielt, konnte er schwerlich auf Hilfe hoffen. Mit anderen Worten: Der Glatzkopf hätte ein leichtes Spiel mit ihm.
    So nicht, dachte Hauschild grimmig. Zum Glück hatte er die Gefahr noch rechtzeitig erkannt. Er würde sich schon zu wehren wissen. Entschlossen öffnete er die Stahltür und betrat das Fahrzeugdeck.
    Langsam und sich nach allen Seiten absichernd schlich er an der rechten Bordwand entlang, bis er vorn, drei Wagen weiter, seinen BMW X 5 entdeckte. Er beschloss, fürs Erste hinter einem dunklen Kastenwagen in Deckung zu gehen. Von dort aus konnte er den betreffenden Deckabschnitt in aller Ruhe beobachten.
    Doch sosehr er auch nach vorn stierte – da war nichts, absolut nichts, was ihm verdächtig erschien. Weder trieben sich dubiose Gestalten im Umfeld seines SUV herum, noch waren Anzeichen eines gewaltsam aufgebrochenen Fensters oder einer Tür zu erkennen. Da klemmte nicht mal ein
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