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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar
Autoren: Thilo Scheurer
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Zettel hinter dem Scheibenwischer. Totale Fehlanzeige.
    War es möglich, dass der Glatzkopf nur seinen Spaß mit ihm hatte treiben wollen? Er verwarf diesen Gedanken wieder – zu eindeutig war der Kerl auf Konfrontation aus gewesen. Doch warum hatte er sein Anliegen nicht gleich im Restaurant vorgebracht? Warum sollte er zu seinem Wagen gehen, um, dort angekommen, festzustellen, dass der Glatzkopf durch Abwesenheit glänzte? Erwartete ihn die Nachricht etwa im Fahrzeuginneren? Unmöglich! Er hatte vor dem Weggehen die Zentralverriegelung betätigt.
    Es half alles nichts: Wenn er Gewissheit haben wollte, musste er näher ran.
    Die Nerven zum Zerreißen gespannt, näherte er sich vorsichtig seinem Auto. Kurz bevor er es erreichte, entriegelte er per Fernbedienung die Türen.
    Er hätte sich nicht gewundert, wenn die Karre in die Luft geflogen wäre. Aber alles blieb ruhig.
    Er atmete tief durch, ehe er zögernd die Fahrertür öffnete. Als auch das ohne Folgen blieb, setzte er sich rasch ans Steuer und zog die Tür hinter sich zu. »Puh«, seufzte er erleichtert und betätigte die Türsperre.
    »Wird auch höchste Zeit, mein Freund«, tönte es da in seinem Rücken.
    Hauschild glaubte einen Moment lang, einem akustischen Trugbild aufgesessen zu sein. Der Wagen war die ganze Zeit über verschlossen gewesen – wo, um Himmels willen, sollte da eine fremde Stimme herkommen? Böses ahnend fuhr er herum. Und tatsächlich: Auf der Rückbank saß eine dunkle, hünenhafte Gestalt, und obwohl die Lichtverhältnisse im Wagen sehr zu wünschen übrig ließen, war die Ähnlichkeit mit dem Kerl aus dem Restaurant unverkennbar: kahler Schädel, Boxerfigur, speckiger schwarzer Anzug – sogar der Akzent war identisch. Aber handelte es sich wirklich um denselben Mann? Irgendetwas an ihm kam Hauschild anders vor. Aber was?
    Kaum hatten sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt, sprang ihm der Unterschied auch schon ins Auge: Eine breite Narbe zog sich quer über die Stirn des Mannes, dessen Gesichtszüge sich bei näherem Hinsehen ebenfalls recht deutlich von denen des ersten Glatzkopfs unterschieden. Irgendjemand musste ihm gewaltig eins übergebraten haben. Recht so, befand Hauschild und bedauerte zutiefst, selbst keine Waffe in Reichweite zu haben.
    »Wenn Sie denken, dass ich mir jetzt ins Hemd mache, dann haben Sie sich geschnitten«, entgegnete er scheinbar gelassen, nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte.
    »Sie können tun, was Sie wollen – ist Ihr Auto, oder nicht?«
    »Ah ja. Und wieso sind Sie dann eingedrungen?«, fuhr Hauschild auf, während er fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Körperlich war er dem Hünen unterlegen – es sei denn, er nutzte das Überraschungsmoment. Wenn es ihm gelänge, dem Kerl die Faust ins Gesicht zu rammen, ihn mit einem Schlag ins Reich der Träume zu schicken … dann müsste er nur noch aus dem Wagen springen und das Fährpersonal verständigen.
    Er hatte sich bereits halbwegs dazu entschlossen, als ihn ein Klopfen gegen das Seitenfenster herumfahren ließ. Draußen stand, wie befürchtet, Glatzkopf Nummer eins, der Wodkatrinker aus dem Restaurant. Missbilligend schüttelte er den kahlen Schädel. »Können vergessen«, rief er ihm zu, »gegen Igor haben keine Chance.«
    Hauschild schluckte. Selbst wenn es ihm gelänge, Igor auszuschalten, bekäme er es postwendend mit dem zweiten Muskelprotz zu tun. Damit hatte sich sein Plan erledigt. Andererseits: Solange er sich an Bord der Fähre befand und die Fahrt andauerte, konnte er sich einigermaßen sicher fühlen. Entschlossen drehte er sich zu Igor um: »Schluss jetzt! Entweder Sie verschwinden aus meinem Wagen …«
    »Oder?«
    »Oder … oder ich hupe das ganze Schiff zusammen.«
    »Wetten, dass Sie nicht machen?«
    »Was setzen Sie dagegen?«
    Igor lachte höhnisch auf. »Einmal Spieler, immer Spieler, was?«
    Hauschild zuckte zusammen. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Sie können sich nicht denken?«
    »Sagen Sie’s mir.«
    »Also gut, reden wir nicht um … wie heißt bei Ihnen? Reden wir nicht um heißen Brei herum, richtig? Sie haben Spielschulden. Hohe Spielschulden. Vierunddreißigtausend Euro. Summe wäre vor zwei Tagen fällig gewesen. Sie jetzt wissen, warum wir hier sind?«
    Hauschild wurde nun tatsächlich einiges klar. Er versuchte, Zeit zu gewinnen. »Wer schickt Sie?«, fragte er lauernd, obwohl er die Antwort bereits kannte.
    »Borowski.«
    Hauschild atmete tief durch, bevor er antwortete. »Okay, tut mir leid,
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