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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman
Autoren: Dean R. Koontz
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entnehmen konnte.
    Vielleicht war auch das Wörterbuch so etwas wie ein Talisman.
    Wenn sie das Wort schwarz auf weiß vor sich sah, würde es aufhören, irgendeine Macht über sie zu haben. Na klar, Voodoo für die Intelligenzler. Trotzdem las sie die Erklärung:
    Fugue (lat. fuga >Flucht<), Wandertrieb, triebartig auftretender  Zwang, den Wohnort zu verlassen, Pflichten und Bindungen plötzlich aufzugeben, manchmal unter Wirkung eines Schocks bei hysteroiden Persönlichkeiten, oft ein epileptischer Dämmerzustand; beides meist verbunden mit Gedächtnisschwund; auch das plötzliche Weglaufen von Psychopathen.
    Sie klappte das Wörterbuch zu und stellte es ins Regal zurück.
    Sie besaß andere einschlägige Literatur, in der sie ausführlicher über Fugues, ihre Ursachen und ihre Bedeutung hätte nachlesen können, aber sie beschloss, die Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass ihr vorübergehender Anfall das Symptom eines ernsten medizinischen Problems war.
    Vielleicht stand sie einfach unter zu großem Stress, arbeitete viel zu hart, und diese Überanstrengung hatte zu dieser kurzen Fugue geführt. Zu einem Gedächtnisschwund für eine Zeitspanne von zwei oder drei Minuten. Eine kleine Warnung. Sie würde einfach auch in Zukunft jeden Dienstag mit Nichtstun verbringen und außerdem versuchen, jeden Tag eine Stunde früher als bisher ihre Arbeit zu beenden, und dann würde sie keine Probleme mehr haben.
    Sie hatte sehr hart gearbeitet, um die Hoffnungen ihrer Mutter zu rechtfertigen und Ärztin zu werden, um etwas aus sich zu machen und dadurch sozusagen ihren geliebten Vater zu ehren und auch ihre nun schon vor so langer Zeit verstorbene schwedische Mutter, an die sie sich dennoch so gut erinnerte und die sie so schmerzlich vermisste. Sie hatte viele Opfer gebracht, um es so weit zu bringen. Sie hatte sich auch an den Wochenenden kaum Freizeit gegönnt, hatte auf Urlaub und die meisten anderen Freuden des Lebens verzichtet. Nun dauerte es nur noch sechs Monate, bis ihre Ausbildung zur Chirurgin beendet sein würde, und danach würde sie eine eigene Praxis eröffnen - und sie würde sich ihre Pläne von nichts durchkreuzen lassen, würde sich ihren Traum durch nichts zerstören lassen.
    Durch nichts.
    Es war der 12. November.

3. Elko County, Nevada
    Ernie Block hatte Angst vor der Dunkelheit. Dunkelheit im Hause war schon schlimm genug, aber am meisten fürchtete sich Ernie vor der Dunkelheit draußen, vor der endlosen Schwärze der Nacht hier im nördlichen Nevada. Tagsüber hielt er sich am liebsten in Räumen mit mehreren Lampen und vielen Fenstern auf, aber nachts bevorzugte er Zimmer mit wenigen oder gar keinen Fenstern, denn manchmal kam es ihm so vor, als drückte die Nacht gegen die Scheiben, als wäre sie ein lebendiges Wesen, das versuchte hineinzugelangen, um ihn zu verschlingen. Es half ihm auch nicht viel, die Vorhänge zu schließen, denn selbst dann war ihm ständig bewusst, dass die Nacht dort draußen war und nur auf ihre Chance lauerte.
    Er schämte sich zutiefst vor sich selbst. Er wusste nicht, warum er in letzter Zeit diese Angst vor der Dunkelheit bekommen hatte. Es war eben einfach so.
    Natürlich hatten Millionen Menschen die gleichen Ängste, aber dabei handelte es sich meistens um Kinder. Ernie war jedoch 52 Jahre alt.
    Am Freitagnachmittag, dem Tag nach Thanksgiving, arbeitete er allein im Büro des Motels, denn Faye war nach Wisconsin geflogen, um Lucy, Frank und die Enkel zu besuchen. Sie würde erst am Dienstag zurückkommen. Im Dezember wollten sie das Motel für eine Woche schließen und über Weihnachten zusammen nach Milwaukee zu den Kindern reisen; diesmal aber war Faye allein geflogen.
    Ernie vermisste sie schrecklich. Er vermisste sie, weil sie seit 31 Jahren seine Frau und zugleich sein bester Freund war. Er vermisste sie, weil er sie jetzt noch mehr liebte als an ihrem Hochzeitstag. Und weil ... weil ohne Faye die Nächte noch endloser und dunkler zu sein schienen.
    Gegen halb drei am Freitagnachmittag war er mit dem Säubern der Zimmer und dem Wechseln der Bettwäsche fertig gewesen, und das Tranquility Motel war empfangsbereit für die nächsten Reisenden. Es war die einzige Unterkunftsmöglichkeit im Umkreis von knapp zwanzig Kilometern, auf einem Hügel nördlich des Superhighways gelegen, eine hübsche Zwischenstation auf einer weiten Ebene mit Beifusssträuchern und grasbewachsenen Hügeln. Elke lag 50 km östlich, Battle
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