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Schwarzer Koks (German Edition)

Schwarzer Koks (German Edition)

Titel: Schwarzer Koks (German Edition)
Autoren: James Grenton
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Gegenteil. So mancher war der Ansicht, die große Zeit der Drogenbarone sei in den Achtziger- und Neunziger-Jahren gewesen, als Pablo Escobar sein weltweites Drogenimperium zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht hatte. Sie irrten sich. Und zwar gewaltig. Dieser Tage entwickelten sich einige Kartelle zu ausgewachsenen militärischen Organisationen. Sie stellten ehemalige Soldaten von Spezialkräften als Stoßtruppen ein und leisteten sich das neueste Hightech-Gerät. Ihr Einfluss reichte bis an die höchsten Stellen der Macht. Je härter die Antidrogenbehörden durchgriffen, desto brutaler schlugen diese Kartelle zurück.
    Bisher allerdings noch keines mit der Gewalt und dem waffentechnischen Raffinement dieser geheimnisvollen Front 154.
    Nathan schlug die Augen auf. Manuel kauerte links von ihm, wie ein Ninja. Die Umrisse seiner Silhouette waren vor denen der dunklen Bäume kaum zu erkennen.
    »Kannst du nicht schlafen?«, fragte Manuel.
    Nathan schüttelte den Kopf.
    »Du bist schon in Ordnung«, sagte Manuel. »Tut mir leid wegen vorhin.«
    »Schon gut.« Nathan setzte sich auf. »Ich versteh dich doch. Was ist mit dir?«
    »Das Auge. Es tut weh.«
    Nathans Beine begannen wieder zu jucken. Er steckte sich eine weitere Zigarette an und krempelte die Hosen hoch.
    »Was ist passiert?«
    »Vor neun Jahren«, sagte Manuel leise, »hat eine Todesschwadron mein Dorf angegriffen. Sie haben meine Mutter und meine Schwester vergewaltigt. Und dann totgeschlagen. Ein
sicario
hat meinem Vater eine Kugel in den Kopf gejagt.«
    »Tut mir Leid«, sagte Nathan. »Wirklich.«
    Die Blutegel fielen von ihm ab, als er sie mit der Zigarette versengte. Er hatte so viele Geschichten wie die von Manuel gehört, seit er hier war.
Sicarios
sind Mörder, die für wenige Dollar Auftragsmorde ausführen. Viele von ihnen sind nichts weiter als verzweifelte Teenager, die das Geld für ihre Drogensucht brauchen.
    »Ich habe mich unter einem Haufen Leichen versteckt«, sagte Manuel. »Es hat sonst niemand überlebt. Ich bekam einen Granatsplitter ins Auge. Ich lief durch den Dschungel, bis ich einen Dorfdoktor fand. Seither machen die Paras Jagd auf mich. Sie wollen keine überlebenden Zeugen.«
    »Deshalb also dein Hass auf sie.«
    »Ich hasse jeden, der sich in meinem Land breit macht. Die Paramilitärs, die Front, die DEA. Einen wie den anderen.« Er schwieg einen Augenblick, als ließe er sich durch den Kopf gehen, was er eben gesagt hatte. »Und du? Wie sieht’s bei dir aus? Wieso bist du in dieser NRO?«
    »Um Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Wir schreiben Berichte und veröffentlichen sie.«
    »Und du meinst, dass das was bringt?«
    »Ich hoffe es.«
    »Glaub mir, Nathan, es bringt nichts. Nicht in Kolumbien. Hier hilft nichts außer Waffen und Geld. Wie alt bist du?«
    »Vierunddreißig.«
    »Hast du Familie?«
    »Eine Schwester.«
    »Frau? Kinder?«
    »Bislang nicht.«
    »Warum nicht. Eine Frau, das ist was Gutes. Kinder sind was Gutes. Sie kümmern sich um einen im Alter.«
    »Ich habe wohl noch nicht die Richtige gefunden.«
    »Ich suche dir eine schöne Kolumbianerin zum Heiraten. Sie wird dich glücklich machen.«
    Nathan lachte. Manuels untypische Gesprächigkeit überraschte ihn.
    Manuel beugte sich zu ihm herüber. »Sag mir, warum du wirklich hier bist.«
    »Hab ich dir doch schon gesagt. Ich arbeite für die NRO Third World Justice. Ich bin hier, um zu helfen.«
    »Niemand kommt nach Kolumbien, um zu helfen.«
    Froh über den Schutz der Dunkelheit, setzte Nathan sich verlegen zurecht. Er konzentrierte sich auf die Egel. Manuel würde ihm nie verzeihen, wenn er von seiner wahren Mission hier erfuhr.
    Manuel brummte etwas, drang aber nicht weiter in ihn. Er setzte sich mit einigem Abstand an einen Baum.
    Nathan warf die Zigarette weg. Den Kopf voll surrender Gedanken, legte er sich schließlich hin. Die nächtliche Kakophonie des Dschungels pulsierte im Hintergrund, ein Orchester aus Zirpen, Kreischen, Klopfen, Flügelschlagen, Rascheln, Trillern und Klicks. Die Luft war dick wie Suppe; der Himmel war nicht zu sehen.
    Nathan fiel in eine Art Halbschlaf, seine auf Gefahren getrimmten Sinne nach wie vor auf der Hut.

Kapitel 4
    Putumayo, Kolumbien
31. März 2011
    Die Sonne stand nicht weniger plötzlich am Himmel, als sie am Abend zuvor verschwunden war. Nathan griff nach seiner Waffe. Manuel hockte neben ihm. Die Knie angezogen, lehnte er mit dem Rücken am nächsten Baum. Kaum merklich bewegten sich seine leicht
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