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Schwarzer Koks (German Edition)

Schwarzer Koks (German Edition)

Titel: Schwarzer Koks (German Edition)
Autoren: James Grenton
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geöffneten Lippen. Seine Finger umklammerten das fein geschnitzte Holzkreuz an der Kette um seinen Hals.
    Blinzelnd schlug er die Augen auf.
    »Gut geschlafen?«, fragte er, während er das Kreuz unter dem Hemd verschwinden ließ. Dann sprang er auf.
    Nathan nickte. Mit der flachen Hand begann er auf Hemd und Hose einzuklopfen. Wie die Glasur eines Kuchens bröckelte die Kruste aus getrocknetem Schlamm, Schweiß und Blut von ihm ab. Er löste einige der Knoten in seinem Haar.
    »Komm.« Manuel tappte ungeduldig mit den Füßen. »Wir müssen los.«
    Stundenlang stapften sie vor sich hin. Ein Gewitter zog auf. Nass bis auf die Haut drückten sie sich an einen Baum. Blitze zuckten jenseits des Baldachins. Grollender Donner erschütterte den triefenden Wald. Schließlich verzogen sich die Wolken und gaben den Blick auf einen kristallklaren Himmel jenseits des grünen Verhaus über ihnen frei.
    In der Ferne brummte ein Flugzeug. Nathan erspähte die Maschine zu ihrer Linken, als sie eben eine weiße Wolke freigab, die sich wie Morgendunst über den Dschungel zu legen begann: eine AT-802 in ihrer gepanzerten Version, ein Sprühflugzeug, das im Rahmen des »Plan Colombia« Herbizide über dem Dschungel ausbrachte. Alles Teil des von der US-Regierung unterstützten Kampfes gegen das Kokain.
    »Schau!« Manuel wies mit dem Finger.
    Nathan sagte nichts.
    Sie erreichten eine Lichtung. Manuel hob die flache Hand, um ihm anzudeuten, dass er stehenbleiben sollte. Sie schlichen vorwärts, bis sie einen klaren Blick durch das Unterholz hatten. Vor ihnen sahen sie die Reste eines Dorfes. Rauch kräuselte aus verkohlten Ruinen. Leichen von Männern, Frauen und Kindern lagen verstreut. Die Erde war schwarz vernarbt.
    Sie gingen in Deckung und lagen still da. In braunen Rinnsalen liefen Manuel Tränen über die Backen.
    Nathan überkam ein rasender Zorn. Er tippte Manuel auf die Schulter. »Komm«, flüsterte er.
    »Spinnst du?«
    »Womöglich gibt es Überlebende. Gib mir Deckung.«
    Manuel versuchte ihn zurückzuhalten, aber Nathan riss sich los und schlich sich, das M-16 schussbereit, auf die Lichtung. Der Überfall war noch nicht lange her. Sonst hätte der Sturm die Brände gelöscht. Die Dorfbewohner waren völlig wehrlos gewesen. Viele lagen mit Einschusslöchern im Rücken und mit dem Gesicht nach unten im Schlamm. Sie hatten zu fliehen versucht. Nathan fragte sich, wer von den Leichen wohl Manuels Verwandte waren.
    Er holte die Kamera heraus und begann zu fotografieren, wobei er nichts zu berühren versuchte für den Fall, dass man Sprengfallen hinterlassen hatte. Direkt vor ihm lag die Leiche eines Angehörigen der Todesschwadron; ihr fehlte der halbe Kopf. Der Mann trug von Kopf bis Fuß Schwarz. Die kugelsichere Weste und der Kampfanzug unterschieden sich von den T-Shirts und Jeans der hiesigen
narcotraficantes
. Ein Riss an der Achsel seiner Uniform zeigte einen blauen Fleck auf der Haut. Nathan befreite ihn mit dem Hemdsärmel von Dreck und Blut.
    Es war eine Tätowierung: I V IV.
    Nathan ging die Taschen des Mannes durch: ein Messer, eine Drahtsäge, Überlebenspäckchen. Er drehte ihn um. Eine Geldbörse in der Gesäßtasche enthielt einen Ausweis mit Foto, Kennziffer und den Buchstaben ASI.
    Das war ein unwiderlegbarer Beweis.
    Nathan sah sich auf der Lichtung um. Zu seiner Linken sah er eine offene Falltür neben einem Erdloch. Er holte eine Taschenlampe aus seinem Rucksack. Eine Leiter führte hinunter in einen kleinen, rechtwinkligen Raum mit gemauerten Wänden. Nathan stieg hinab. Es war dunkel. Der Gestank von Tod und Fäulnis benahm ihm den Atem. In der Ecke lag eine schlimm entstellte Leiche, an deren Eingeweiden Ameisen zugange waren. Neben ihr stand ein Holztisch mit Wannen voll eingeweichter Blätter. Dazwischen sah er Spachteln und Plastikflaschen mit rosa oder gelber Flüssigkeit, in denen Nathan Kerosin und Schwefelsäure vermutete.
    Ein Untergrundlabor; hier verarbeitete man die aus den zerkleinerten und eingeweichten Kokablättern gewonnene Paste zu Kokain. In einer Ecke stapelten sich perfekte Ziegel aus kompaktem schwarzem Pulver bis unter die Decke. Jeder von ihnen trug einen weißen Sticker mit dem Emblem eines schwarzen Käfers. Auf einem weiteren Holztisch befand sich eine irdene Schüssel voll kleiner Plastiktütchen mit schwarzem Pulver.
    Schwarzes Kokain?
    Er steckte einen der Druckverschlussbeutel in die Brusttasche seines Hemds. Er schaltete den Blitz an der Kamera ein und schoss weitere
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