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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse
Autoren: Anne Perry
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»Leitern sind was für Landratten.«
    Monk betrachtete Louvains muskulöse Schultern und wie mühelos er das Gleichgewicht hielt, und war sich ziemlich sicher, dass eine fehlende Leiter ihn nicht daran gehindert hätte, an Bord zu gelangen. »Würde ein solcher Enterhaken nicht Spuren am Holz hinterlassen?«, fragte er laut.
    Louvain zog scharf die Luft ein, dann stieß er sie langsam aus, als er allmählich begriff. »Sie glauben, die Mannschaft hat mit ihnen unter einer Decke gesteckt?«
    Â»Was meinen Sie?«, fragte Monk. »Kennen Sie jeden Einzelnen gut genug, um sich ganz sicher zu sein?«
    Louvain dachte nach, bevor er etwas sagte. Er wog seine Meinung im Geiste ab, seine Augen verrieten es ebenso wie den Augenblick, in dem er sein Urteil fällte. »Ja«, sagte er schließlich. Er führte es nicht weiter aus und fügte auch keine weiteren Versicherungen hinzu. Er war es nicht gewöhnt, sich zu erklären, sein Wort genügte.
    Monk sah sich auf Deck um. Es war breit und offen und sauber geschrubbt, und doch war es gemessen an der Weite der Ozeane klein. Die Luken waren geschlossen, aber nicht verschalkt. Das Holz war kräftig und in gutem Zustand, aber die Gebrauchsspuren waren unübersehbar. Dies war ein Arbeitsschiff, selbst bei flüchtiger Betrachtung ließen sich die tief eingegrabenen Spuren der Hände um die Luken herum erkennen,
die Abdrücke der Füße auf den Wegen nach unten und hinauf. Nichts war neu, außer ein Stück Want, das den Fockmast hoch und hinauf in die Takelage führte, um dort oben irgendwo im Gewirr zu verschwinden. Es hob sich durch seine helle Farbe deutlich ab.
    In der Achterluke, die offen stand, tauchte eine Hand auf, und dann ein riesiger Körper. Der Mann, der herauskletterte, war gut über ein Meter achtzig groß, seinen runden Kopf bedeckten Stoppeln aus graubraunem Haar, sein Kinn ebenfalls. Er hatte ein derbes, aber intelligentes Gesicht, und es war offensichtlich, dass er keine Bewegung machte, ohne vorher nachzudenken. Jetzt kam er langsam zu Louvain herüber, blieb kurz vor ihm stehen und wartete auf dessen Anweisungen.
    Â»Das ist der Bootsmann des Schiffes, Newbolt«, sagte Louvain. »Er kann Ihnen alles erzählen, was er über den Diebstahl weiß.«
    Monk atmete einmal tief durch, um sich zu entspannen. Er betrachtete Newbolt sorgfältig: die ungeheure körperliche Kraft des Mannes, seine schwieligen Hände, die abgewetzten Kleider, die dunkelblaue Hose, abgetragen und formlos, aber solide genug, um ihn gegen die Kälte oder ein umherpeitschendes loses Tauende zu schützen. Er trug eine dicke Jacke, und am Hals waren die kunstvollen Maschen eines Wollpullovers zu sehen. Monk erinnerte sich, dass es eine alte Seefahrertradition war, ein solches Kleidungsstück zu tragen. Die verschiedenen Strickmuster identifizierten einen Mann als Angehörigen einer bestimmten Familie und eines bestimmten Clans, auch wenn sein toter Körper seit Tagen oder Wochen im Meer getrieben hatte.
    Â»Drei von Ihnen hier und der tote Mann?«, begann Monk die Befragung.
    Â»Ja.« Newbolt rührte sich keinen Zentimeter, nicht einmal sein Kopf bewegte sich. Seine klugen Augen, die fest auf Monk gerichtet waren, gaben nichts preis.
    Â»Wer hatte die letzte Wache, bevor er gefunden wurde?«

    Â»Ich. Von acht bis Mitternacht«, sagte Newbolt.
    Â»Und wo haben Sie Hodges Leiche gefunden?«, fragte Monk weiter.
    Newbolts Kopf wies kaum merklich zu einer Seite, eine winzige Bestätigung. »Am Fuß des Niedergangs, die Achterluke runter zum Laderaum.«
    Â»Was hat er dort Ihrer Meinung nach wohl gemacht?«
    Â»Keine Ahnung. Vielleicht hat er was gehört«, antwortete Newbolt mit kaum verhohlener Überheblichkeit.
    Â»Und warum hat er dann nicht Alarm geschlagen?«, forschte Monk weiter. »Wie hätte er das gemacht?«
    Newbolt öffnete den Mund und holte tief Luft, seine breite Brust schwoll an. Seine Miene veränderte sich. Plötzlich betrachtete er Monk ganz anders und mit sehr viel mehr Wachsamkeit. »Er hätte gerufen«, antwortete er. »Hier kann man schließlich kein Gewehr abfeuern. Könnte jemanden treffen.«
    Â»Sie könnten in die Luft schießen«, meinte Monk.
    Â»Falls er das getan hat, hat ihn niemand gehört«, entgegnete Newbolt. »Ich würde vermuten, sie haben sich an ihn rangeschlichen. Vielleicht hat
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