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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde
Autoren: Christine Feher
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Aussichtslosigkeit.
    I can’t
    I don’t even want to
    I never would
    It only destroyed
    But after all
    I have seen you
    You have touched me
    Without even laying a finger on my skin
    Dieser Text. Dieses Lied. Mir wird schwindlig, und nicht nur von der Hitze und dem Durst, der von meiner Kehle Besitz ergreift. Mir ist schwindlig vor Sehnsucht nach jemandem an meiner Seite, nach Übereinstimmung, nach gegenseitigem Verstehen ohne viele Worte. Vielleicht hätte ich Manuel noch eine Chance geben, in Ruhe mit ihm reden sollen, fährt es mir durch den Kopf. Ihm klar machen, was mich an unserem letzten Tag so gestört hat. Ihn nicht so schnell fallen lassen. Übereinstimmung suchen. Der Musiker auf dem Flughafen und ich lächeln uns wieder an, gleichzeitig taucht Manuels Gesicht vor mir auf, und in derselben Sekunde weiß ich, dass ich diese Übereinstimmung bei ihm nie hätte finden können.
    Verstohlen beobachte ich den Typ weiter, mehr aus dem Augenwinkel, unwillkürlich streiche ich über meine glatten Haare, um sie ein wenig zu richten, einige Strähnen fühle ich von der Hitze im Nacken kleben. Er hat schöne Zähne, weiß, dicht beieinander stehend und gründlich gepflegt. Krampfhaft versuche ich, nicht sofort wieder zu ihm zu schauen, tue so, als suche ich etwas in meiner Tasche, meiner kleinen Lieblings- Umhängetasche aus hellbraunem Wildleder mit Fransen an der Unterseite, die mir Alena mal auf dem Flohmarkt geschenkt hat, weil sie meinte, die passe so gut zu mir. Immer wieder musste ich ihr damals bestätigen, wie gut mir die Tasche gefalle, und beinahe hätte mir diese Penetranz die Freude daran verdorben, aber die Tasche ist so schön, dass ich irgendwann einfach beschloss, mir die Freude nicht nehmen zu lassen.
    Ich nehme mein Lipgloss heraus und fahre damit über meine Lippen; Dummchen, sage ich im Stillen zu mir selbst; kaum strahlt dich einer an und klimpert ein bisschen auf seiner Gitarre herum, legst du hier das typische Weibchenverhalten an den Tag; jetzt nur noch ein bisschen am Ausschnitt nesteln, und das Klischee ist perfekt. Hör auf damit.
    Aber ich muss wieder hinsehen, sein Lächeln erwidern. Er ist wie ein Magnet.
    »Junge Frau«, höre ich plötzlich den älteren Mann, der mich vorhin von hinten angerempelt hat. »Sie sind an der Reihe. Träumen können Sie auch noch über den Wolken.«
    »Entschuldigung«, stoße ich hervor und trete nach vorn vor den Schalter, wo die Bodenstewardess mir das Ticket aus der Hand nimmt und einen Blick darauf wirft, ehe sie mir lächelnd die Bordkarte überreicht und einen guten Flug wünscht. Ehe ich durch die Sperre trete, drehe ich mich noch einmal nach dem jungen Musiker um; er hat aufgehört zu spielen und bückt sich, legt seine Gitarre in den Gitarrenkoffer, lässt die Schlösser zuschnappen. Als er sich wieder aufrichtet, zwinkert er mir zu, und dieses Zwinkern durchfährt mich wie ein Stromstoß, löst ein Glücksgefühl in mir aus, ein Gefühl von Befreiung, als würde jemand nach einer langen, dunklen Nacht das Fenster aufreißen und den ganzen Frühling auf einmal hineinlassen. Er sitzt im selben Flieger, denke ich, und kann nicht aufhören, vor mich hin zu grinsen. Er wohnt auch in Berlin.
    Ich gehe durch die Passkontrolle, im Wartebereich ziehe ich mir einen Becher Orangensaft aus dem Automaten und suche mir einen Platz. Ein letztes Mal vor dem Abflug ziehe ich mein Handy aus der Tasche, um nach Nachrichten zu schauen, zögere, als ich sehe, dass eine SMS von Alena eingegangen ist. Eigentlich will ich noch nichts von ihr lesen, noch bin ich hier, allein mit mir selbst und all den Eindrücken, die noch so lebendig in mir sind, die ich ohnehin niemandem so vermitteln könnte, wie ich sie empfinde. Ich will nicht lesen, dass ich Alena heute noch anrufen oder gar treffen soll. Das kommt alles noch früh genug.
    Dann öffne ich den virtuellen Briefumschlag doch. Vielleicht ist es dringend. Ich hätte es nicht tun sollen.
    Kann kaum erwarten dich zu sehen, lese ich. Manuel dreht ziemlich am Rad. Vielleicht redest du doch noch mal mit ihm, ich glaube das braucht er.
    Genervt stöhne ich auf, eine Antwort fällt mir nicht ein, diese SMS macht alles kaputt. Ich will mir nichts kaputt machen lassen, nicht jetzt, nicht so. Ich drücke die Ausschalttaste und stecke das Handy wieder ein.

2.

    D er Aufruf zum Boarding. Ich drehe mich um, er ist wieder da, ist jetzt auch im Wartebereich angelangt, zwinkert mir wieder zu, als sich unsere Blicke treffen. Ich
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