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Schwarze Pest aus Indien

Schwarze Pest aus Indien

Titel: Schwarze Pest aus Indien
Autoren: Stefan Wolf
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Daß Beize Haare liebte — besonders die
eigenen — , erkannte man an seinem Schnauzbart. Mit dem hätte man ein
Kopfkissen füllen können. Belzes Nase war groß und fleischig, dampfte aber nie.
Den Spitznamen mußte man im übertragenen Sinn verstehen. Beize war 34 Jahre
alt, hatte stämmige Beine, Hände wie geschaffen zum Ohrfeigenausteilen und eine
einschmeichelnde Stimme.
    Von der wollte er jetzt Gebrauch
machen. Denn heute war Freitag, und an Freitagen arbeitete er immer.
    Die Herbstsonne schien. Es ging auf
Mittag. In Belzes Zwei-Zimmer-Wohnung war die Heizung aufgedreht. Das
Thermometer zeigte 26 Grad an. Aber Beize schwitzte gern.
    Er suchte ziemlich lange in dem dicken
Telefonbuch.
    Schließlich entschied er sich für drei
Frauen. Bei ihnen schien alles zusammenzupassen. Sie hießen Erna Pfannendick,
Lore Schreylippe und Elsa Kranig.
    Da nur sie — und kein männlicher
Vorname — unter den Anschlüssen verzeichnet waren, handelte es sich vermutlich
um alleinstehende Frauen. Alle Adressen waren vom Feinsten, und jede Rufnummer
enthielt mindestens eine Drei: Belzes Glückszahl.
    Allerdings — schon bei Erna Pfannendick
hatte er Pech. Sie meldete sich nicht. War sie verreist? Oder nur beim
Einkaufen? Auch Lore Schreylippes Anschluß blieb stumm.
    Beize knirschte mit den Zähnen und
probierte es bei Elsa Kranig. Die Frau wohnte am Kosebella-Park, einer
besonders teuren Gegend.
    Ha! Es wurde abgehoben. Eine samtige
Frauenstimme meldete sich.
    „Kraaanig.“
    Beize lächelte die kahle Wand seines Wohnzimmers
an. „Marianne? Hallo! Sie erkennen meine Stimme, ja? Erinnern Sie sich an mich?
Am Montag im Intercity von Nürnberg hierher. Sie haben mir Ihre Telefonnummer
gegeben, liebste Frau Marianne.“

    Durch die Leitung tröpfelte Stille,
aber nur für einen Moment. „Sie haben sich verwählt“, sagte die Frau. „Hier
gibt es keine Marianne.“
    „Oh!“ Es klang bestürzt. „Bitte,
entschuldigen Sie! Aber... die Telefonnummer ist ein bißchen undeutlich
geschrieben. Und... Sie haben die gleiche bezaubernde Stimme.“
    Er wartete. Legte sie auf? Ihre Stimme
war weder jung noch alt. Eine einsame Frau?
    Sie legte nicht auf. Beize spürte ihr
Zögern. In Gedanken rieb er sich die Hände. Er hatte ein Opfer. Er wußte es.
    „An meiner Stimme“, die Frau lachte,
„scheint etwas dran zu sein. Das hat man mir schon oft gesagt.“
    „Sie klingt wie Abendläuten“, sagte er.
„Wie Meeresrauschen in der Südsee. Ich sehe Sie vor mir, gnädige Frau. Sie sind
blond. Haben blaue Augen. Die Dame, mit der ich im Intercity bekannt wurde, hat
graue Augen. Und ich... Ach, entschuldigen Sie! Ich halte Sie auf. Ich bin mal
wieder aufdringlich wie eine Schmeißfliege.“
    „Durchaus nicht“, erwiderte Elsa
Kranig. „Im Augenblick langweile ich mich. Welche Nummer haben Sie eigentlich
gewählt?“
    Er las ihre Nummer vor, machte aber aus
der letzten vier eine fünf.
    „Da haben wir’s“, erklärte sie. „Die
letzte Ziffer stimmt nicht. Die Vier wäre richtig statt der Fünf.“
    „Ahahahahah!“ Er lächelte wie ein
Fettauge auf der Rindfleischsuppe, weil sich das, wie er wußte, auf die Stimme
überträgt. „Na, wer weiß, ob es der Frau Marianne recht gewesen wäre, wenn ich sie
angerufen hätte. Sie hatte so einen zögernden Ausdruck in den grünen... äh...
grauen Augen. Nein, ich werde sie nicht anrufen. Jetzt nicht mehr.“
    Elsa Kranig lachte die C-Dur-Tonleiter
hinauf. „Verzichten Sie meinetwegen?“
    „Und wenn? Ich bin so hingerissen von
Ihrer Stimme, Frau Kranig. Kranig ist doch der Name, ja? Gut, habe ich also
richtig verstanden. Jetzt nehme ich allen Mut zusammen — und sage... Hm,
hoffentlich falle ich nicht mit der Tür ins Haus.“
    „Sagen Sie’s nur!“ ermunterte sie ihn.
    „Darf ich Sie einladen?“
    „Einladen?“
    „Nennen Sie mir ein Restaurant Ihrer
Wahl. Dorthin werde ich Sie ausführen. Übrigens heiße ich Robert Winter. Winter
wie Frühling, nur drei Monate früher, hahaha.“
    „Warum nicht, Herr Winter. Ich meine
die Einladung. Ich kenne Sie zwar nicht, aber gut, ich riskiere es.“
    „Heute abend? Ins Restaurant
Specktöpfchen?“
    „Im Specktöpfchen war ich noch nicht.
Es soll gut sein.“
    „Vorzüglich.“
    „Also einverstanden. Aber nicht heute
abend. Ich verreise nämlich. In zwei Stunden geht mein Zug nach Wien. Ich
besuche eine Freundin, bleibe aber nur bis Sonntagabend.“
    „Dann rufe ich Sie am Montag wieder
an.“
    „Einverstanden.“
    Beize
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