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Schwarze Dynastie

Schwarze Dynastie

Titel: Schwarze Dynastie
Autoren: C. M. Kornbluth
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Nein, nein, das ist unmöglich! Es war doch nur ein kleiner Schmerz in der Kehle. Welch ein Narr war er gewesen, zu Dr. Latham zu gehen! Seine Honorare waren immens, und wenn man mit seinen Zahlungen sowieso immer ein wenig im Rückstand war ... Außerdem halfen die Medizinen gar nichts, wenn auch Latham ihm nahezu versichert hatte, der Schmerz in der Kehle sei nicht bösartiger Natur.
    »Mr. Oliver, zu Dr. Riordan bitte, Nummer zehn«, sagte eine Lautsprecherstimme. Riordan war ziemlich jung und Pathologe, ein Spezialist mit saurer Miene.
    »Guten Morgen. Setzen Sie sich hierher. Mund aufmachen. Entspannen. Ganz entspannen. Ihre Glottis ist verkrampft.«
    Etwas fühlte sich kalt an, und dann schnippte etwas. Der Arzt drückte auf einen Knopf an seinem Schreibtisch, und ein sehr junger Mann kam herein. »Sofort Gefrierschnitte machen«, sagte der Pathologe und reichte dem jungen Mann eine Pinzette, vor der ein kleiner Klumpen baumelte.
    Er begann Karten auszufüllen und ignorierte Oliver völlig, der vor Angst schwitzte. Dann ging er weg und kehrte nach fünf Minuten wieder zurück.
    »Es ist operabel, und viel Gewebe verlieren Sie nicht.« Der Arzt kritzelte einiges auf ein Blatt Papier, das er Oliver reichte. Dieser las: ... Epithelioma ... Metastasen ... Riesenzellen ...
    »Das ist mein Bericht. Den geben Sie Latham. Wenn sie Ihren Kehlkopf behalten wollen, schieben Sie die Operation nicht hinaus. Kostet fünfzig Dollar.«
    Langsam schrieb er den Scheck aus. Er hatte nur zweiunddreißig auf dem Konto, aber sein nächster Gehaltsscheck war ja bald fällig.
    Riordan las aufmerksam den Scheck und legte ihn weg. »Guten Tag, Mr. Oliver.«
    Vom Medical Center ging Oliver zum Geschäftsviertel der Künstlerkolonie. Die Van-Gogh-Werke rauchten aus allen Schloten; also mußten sie wohl den großen Auftrag aus Mexiko an sich gerissen haben. Die Rembrandts Ltd. schienen dagegen kein Glück zu haben. Seit einem Monat war dort geschlossen, ohne die geringste Aussicht auf neue Aufträge.
    Jemand stieß ihn auf der Rollstraße an. Jetzt wurden sogar die Künstler immer nervöser, die doch bisher als Klasse gegolten hatten, welche sich nicht aus der Ruhe bringen ließen. Geh zu Dr. Latham, sagte eine innere Stimme zu ihm, je eher, desto besser ... Jetzt gehörte er auch schon zu denen mit der inneren Unruhe.
    »Wenn Dr. Riordan sagt, das Ding sei operabel, dann brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, versicherte ihm Latham. »Finsen wird operieren, und da geht alles in Ordnung. Er ist ein ausgezeichneter Mann. Er verlangt fünfzehnhundert.«
    »Du meine Güte!« stöhnte Oliver.
    »Was ist denn los? Haben Sie das Geld nicht?«
    Zu seinem angstvollen Erstaunen sprudelte er alles aus sich heraus, daß er ein armer Teufel sei, der gerade so um die Runden käme, und er redete weiter, bis er bemerkte, das Latham seine Hörhilfe abgeschaltet hatte.
    »Gut«, sagte der alte Arzt schließlich. »Sie kommen, sobald Sie die finanzielle Seite geregelt haben. Je eher, desto besser. Finsen ist ein erstklassiger Operateur.«
    Oliver ging direkt zum Mob-Haus und in das Büro der Wohlfahrtsfonds, wo er seine Bitte um Hilfe vortrug. Eine zitronensauer aussehende Frau erklärte ihm, andere hätten Hilfe dringender nötig, und er solle sich schämen, anderen Leuten etwas wegzunehmen.
    Nun sollte er seinem Vorarbeiter Bescheid sagen. Es war fünf vor fünf, also höchste Zeit. Er fand eine Telefonzelle, die von einer fetten Frau besetzt war. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen, die Frau bemerkte es, telefonierte aber ruhig weiter. Also bekam er einen Minuspunkt für Unzuverlässigkeit.
    Bei einem Kreditbüro füllte er endlose Formulare aus und bekam dafür einen Scheck über fünfzehnhundert Dollar. Was auf den Formularen an Kleingedrucktem stand, wußten nur der liebe Gott und das Kreditbüro. Er hatte Leidensgenossen, und sie erzählten ihm verbittert, sie seien für ihr ganzes Leben verschuldet, und das Kreditbüro gehöre dem Regan-Wohlfahrtsfonds, aber das konnte nur eine Lüge sein.
    Allmählich wuchs in ihm die Angst, und er eilte nach Hause, um dort Ruhe zu finden. Er ließ sich in einen pneumatischen Stuhl fallen, drückte dort einen Knopf, mit dem er das Stereo-Gerät einschaltete, und wählte die Verlorene Symphonie von Gershwin. Ihm fiel ein, wie Gershwin gestorben war – an einem winzigen Gewächs im Gehirn ähnlich dem winzigen Gewächs, das er in der Kehle hatte.
    Die Zeit, der große Witzbold ... Die Jahre trieben
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