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Schwarze Dynastie

Schwarze Dynastie

Titel: Schwarze Dynastie
Autoren: C. M. Kornbluth
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und die Irren jenseits des Mississippi nur auf ihren Absprung warten. Ja, natürlich – was sollen wir tun?«
    Charles Orsino wußte, daß er kein abstrakter Denker war. F. W. Taylor war von seiner Energie und seiner guten Hand für die Menschen nach oben getragen worden. Irgend etwas an Lees abstrakter Beweisführung klang ihm ein wenig falsch in den Ohren.
    »Mit solchen Überlegungen kommen wir nicht weiter, Lee«, sagte er. »Eines weiß ich von Onkel Frank: wenn du dir Geschichten über die Welt ausdenkst und so handelst, als seien sie wahr, dann kriegst du Schwierigkeiten. Das Syndikat sitzt nicht nur faul und fett herum. Die Regierung besteht nicht nur aus Wölfen. Die Mobstern sind nicht lauter Irre. Und sie warten nicht nur darauf, das Syndikat anzuspringen. Es läßt sich nicht anspringen. Das Syndikat besteht aus Menschen, ihrer Moral und ihrem Glauben.«
    »Der Glaube ist eine wundervolle Sache«, antwortete Lee bitter. »Woher hat du den deinen?«
    »Von den Menschen, mit denen ich gearbeitet habe. Von den Barkeepern, Buchmachern und Cops. Von anständigen Bürgern.«
    »Und was ist mit den Unglücklichen und Furchtsamen in Riveredge? Mit den Neurotikern und Psychotikern, auf die ich bei meinen Studien stieß? Charles, die Nordamerikanische Regierung erschreckte mich an sich kaum, nur der Gedanke, daß sie sich mit einer kontinentalen Macht zusammentut, weil dann die Relation zu ungünstig ist. Syndikat, Mob, Regierung – gegen unsere labilen Bürger.«
    »Das Syndikat bleibt bestehen«, sagte Charles und dachte dabei an seinen Onkel, der immer wußte, was er tat; er dachte an Edward Falcaro, der das Richtige tat, ohne genau zu wissen, weshalb, und er dachte an die vielen fröhlichen, gutherzigen, harmlosen Menschen, die leben wollten und leben ließen.
    »Sicher, wir haben ein paar unzufriedene Menschen, solche, denen es schlecht geht«, fuhr er fort, »und wir scheinen ihnen nicht helfen zu können. Aber du hast auch einiges vom Mob und von der Regierung gesehen. Vielleicht weißt du von unseren ganz gewöhnlichen, durchschnittlichen Leuten nicht genug. Auf jeden Fall können wir im Moment nichts tun. Wir müssen warten.«
    »Ja«, pflichtete sie ihm bei. »Wir müssen warten. Und bis wir in Chicago sind, haben wir wenigstens einander.«

 
17.
     
    Die Benzindämpfe machten sie so krank, daß sie nicht einmal mehr die Stunden oder Tage zu zählen vermochten. Von Zeit zu Zeit brachte man ihnen etwas zu essen, aber das Essen schmeckte nicht und roch nach Benzin. Sie litten unter unaufhörlichen Kopfschmerzen, und schließlich kam bei Lee ein krampfhaftes Erbrechen dazu, das sich nicht stillen lassen wollte. Da trommelte Charles Orsino mit den Fäusten an die Tür und schrie aus Leibeskräften.
    Nach etwa einer Stunde kam Regan. »Schwierigkeiten?« fragte er höhnisch und leuchtete ihnen mit einer grellen Taschenlampe in die Gesichter.
    »Miß Falcaro wird sterben, wenn sie keine Hilfe bekommt«, sagte Charles. »Ihnen, Mister Regan, brauche ich nicht zu sagen, daß Ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, wenn sie nicht gesund ins Syndikats-Territorium zurückkehrt. Sie braucht sofort ärztliche Versorgung.«
    »Ach nein«, meinte Regan ironisch. »Eine Todesdrohung! Ich habe alles mitangehört, was hier gesprochen wurde. Jawohl, ein Mikrophon. Sehr interessant war die Unterhaltung ja nicht. Aber die Lady ist uns tot nicht von Nutzen, und wir fahren jetzt eben in den Lake Michigan ein. Sie können die Dame tragen und vorausgehen. Vergessen Sie aber nicht, daß ich zwar kein besonders guter Polospieler bin, mit der Waffe jedoch ausgezeichnet umzugehen verstehe. Los jetzt.«
    Regan gegenüber Schwäche zeigen? Undenkbar. Charles gelang es also, seine Füße in Bewegung zu setzen und Lee Falcaro aus dem Loch zu schleppen.
    »Ihr könnt meine eigene Kabine haben«, murmelte Regan. »Wir docken bald.«
    Charles ließ Lee auf ein Luxusbett in einer kleinen, aber verschwenderisch ausgestatteten Kabine fallen. Regan pfiff ein paar Leute herbei, die mit einem Sanitätskasten kamen. »Tun sie, was Sie können, Mister«, sagte er zu einem Offizier, und zum Matrosen: »Aufpassen. Sie dürfen nichts anrühren. Wenn sie Schwierigkeiten machen, kannst du sie ruhig schlagen.« Pfeifend ging er davon.
    Der Offizier fummelte ziemlich unglücklich im Sanitätskasten herum und wusch schließlich mit einem Schwamm Lees Gesicht und Hals. Der Matrose war ein Riese, der nicht seit Tagen Benzindämpfe eingeatmet hatte.
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