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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod
Autoren: Harry Thürk
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aufzusuchen, lieber einen Blick auf den Juwelenladen in der Nathan Road zu werfen. War Miß Silva wirklich dort? Oder log sie wieder?
    Kurz entschlossen ließ ich den Motor an. Zehn Minuten später schwamm ich auf der Woge des Abendverkehrs westwärts. Weil die Geschäfte geschlossen waren und es in der Gegend nicht gerade die modischsten Kneipen gab, erwischte ich unweit von Ronaldos Juwelenladen einen Platz an einer Parkuhr. Von weitem sah ich bereits, daß nicht nur die Schaufenster beleuchtet waren. Auch der durch Glaswände abgeteilte Büroraum im Hintergrund war hell. Von einem Kunden war allerdings nichts zu sehen. Nur Miß Silva saß da. Lackierte ihre Fingernägel. Schwenkte die Hände zum Trocknen. Sah gar nicht nach anstrengender Verhandlung mit kompliziertem Käufer aus. Nüchterne Erkenntnis meinerseits: Im Apartment der Dame, oder irgendwo im Haus hatte dieser Liao Tu auf mich gelauert. Miß Silva rechnete darauf, daß ich ihm in die Hände lief ...
    Pipi schlief schon, als ich in unser »Notzimmer« zurückkehrte. Ich gab mir Mühe, sie nicht zu wecken. Streckte mich vorsichtig neben ihr aus und fiel trotz des beunruhigenden Erlebnisses, das mein Selbstwertgefühl anknabberte, weil es erneut mein Urteilsvermögen korrigierte, schon bald in einen flachen Schlaf. Er war mit einem ziemlich wirren Traum angefüllt, in dem ich unablässig versuchte, meine Tür zu öffnen, weil draußen die Polizeisirene heulte. Aber es war, als wollten mir meine Hände nicht gehorchen. Ich bekam die verdammte Tür einfach nicht auf. Zudem verfing sich ein großer Vogel mit seinen Krallen in meinem Haar, als er sich auf meinen Kopf setzte. Und plötzlich war da nicht mehr die Tür, auch nicht der Vogel mit seinen Krallen, sondern eine verschlafene Pipi, die an meinem Skalp zerrte, mir mein Handy entgegenhielt, wobei sie ärgerlich mahnte: »Du solltest mal was für deine Ohren tun!«
    Sie ließ das Handy auf meine Brust fallen. Kippte nach der Seite weg. Ich strampelte mich hoch, leise vor mich hin schimpfend.
    Â»Rrrrh ...«, machte ich in das Gerät. Auf der anderen Seite lachte Bobby Hsiang: »Das freut mich besonders! Warum sollst du ruhig auf deinem Honorar schlafen, wenn ich mich mit der Frau deiner schmutzigen Träume herumärgern muß! Park Drive 27, Kowloon, bitte. Und ohne Verzögerung!«
    Ich griff an den Lichtschalter. Der Schlaf mit der geträumten Horroroper hatte nicht ganz eine Stunde gedauert.
    Â»Was ist los?« krächzte ich Bobby an. Er wiederholte, ich solle mich gefälligst beeilen.
    Â»Mord?«
    Â»Eine Leiche«, sagte er. »Du wirst gebraucht. Von mir. Ende.«
    Ich ließ einen Fluch in unterdrückter Lautstärke los und sprang aus dem Bett. Pipi murmelte undeutlich: »Danke, Madame ... Unser Haus weiß Ihr Lob zu schätzen ...«
    Aus dem Autoradio hämmerte der Krawall, den ein halbes Dutzend in ganz Asien weltbekannter filippinischer Hooligans vollführten. Er ging mir, wie immer, auf die Trommelfelle, aber er hatte den Vorteil, daß er mich nicht einschlafen ließ, und das wiederum führte dazu, daß ich den unzähligen Kehrmaschinen und Straßenwaschfahrzeugen rechtzeitig auswich. Sogar einen hinkenden Hund, der kurz hinter dem Tunnel über die Fahrbahn walzte, verschonte ich.
    Als ich in die Park Drive einbog, sah ich bereits am Ende, dort, wo das Haus stand, in dem Miß Silva wohnte, die Polizeifahrzeuge stehen. Bobby Hsiang grinste vergnügt, als er mich begrüßte: »Wir kommen weiter!«
    Er zog die Folie von dem Körper, der da lag, etwa unter den Fenstern von Miß Silvas Apartment, allerdings zwanzig Meter tiefer, im Gras: Mister Liao Tu, der Transporteur von Frühlingsrollen und nebenberufliche Karatelehrer.
    Â»Da sparst du am frühen Morgen schon eine Fahrt nach Hung Hom«, rang ich mir ab.
    Bobby zog die Folie wieder über das Gesicht und meinte: »Wir werden trotzdem hinfahren. Mal sehen, was es sicherzustellen gibt. Übrigens, das Öl, das du vom Gashebel der Dame gewischt hast, ist mit dem von der Pfütze in Tiger Wongs Garage identisch. Beweis, daß sie da durch ist.«
    Ich war noch nicht ganz fertig mit der Einordnung dessen, was ich hier sah. Als ich mich schließlich auf das besann, was Bobby gerade gesagt hatte, fiel mir ein: »Ach, Miß Silva ... Was ist mit ihr?«
    Er winkte mich zum Wagen der
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