Schwarze Blüte, sanfter Tod

Geschichtenerzähler im Basar auftreten!«
    An der Tür tauchte der »Lehrling« auf. Schlich zu Miß Silva, der plötzlich alle Schönheit abhanden gekommen war. Erkundigte sich bei Bobby: »Soll ich sie rausschaffen, Chef?«
    Bobby ordnete feierlich an: »Führen Sie sie dem Arm des Gesetzes zu, Assistent Ming!«
    Mich forderte er halblaut auf: »Komm mit, leichtsinniger Held, ich habe drüben einen Bierausschank gesehen ... die haben Tsingtaoer ...«
    Lao Tse hielt uns verdattert die Tür auf. Verbeugte sich feierlich und murmelte aus Versehen: »Wir begrüßen Sie sehr gern bald wieder bei uns ...!« Dann erschrak er. Griff sich verwirrt an den Kopf und schlug die Augen nieder. Was für ein Gesicht würde er machen, wenn Mister Blondel erschien, um hier die Story der Woche für sein Blatt zu recherchieren? Exklusiv, wie ich es ihm versprochen hatte!
    Erst als Bobby und ich an der Bude unseren Durst mit dem inzwischen zur chinesischen Errungenschaft gewordenen Relikt aus der deutschen Kolonialepisode im Mutterland stillten, gestand ich meinem Freund, daß der Blick in die Pistolenmündung eigentlich gar nicht heldenmütig gewesen war, weil ich ja selbst heimlich die Patronen aus dem Schießeisen Miß Silvas entfernt hatte. Statt eines Kommentars verriet er mir, daß mich Onkel Stan erwartete. Mit einer Belohnung. Weil ich geholfen hatte, herauszufinden, wer an Mrs. Ronaldos Tod schuld war und warum. Und als ich dazu schwieg, verlangte er unverfroren: »Na, darauf könntest du ja eigentlich noch ein Tsingtaoer für uns bestellen. Freiwillig.«
    Ich verkniff mir, ihm zu sagen, daß mir in diesem Augenblick ein paar unsterbliche Zeilen von Li Tai Pe einfielen, dem ewig berauschten Dichter der alten Zeit. Jeder chinesische Trinker hat sie im Gedächtnis. Ich winkte dem Budiker, und während der eingoß, erinnerte ich mich still: »Laß uns die schönste Frau vergessen! Laß uns trunken die Nacht auf ewigen Flügeln durchsegeln ...«
    Ich fühlte mich ziemlich traurig dabei.

Mehr von Harry Thürk ...

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