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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod
Autoren: Harry Thürk
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schon mörderisch, betrachtete nachgebaute Dörfer aus Tahiti und neuseeländische Schweine, sah Tonga-Burschen zu, die mir zivilisiertem Supermarktkunden vorführten, wie ein echter Insulaner mit einem Haumesser eine Kokosnuß öffnet, ohne sich dabei die Finger abzusäbeln, und studierte die Schlafgewohnheiten, die Kleidung und die Küchentricks von Nuku Hiva bis Auckland aus der Zeit, als dort noch der Taro-Pudding aus der hohlen Hand geschleckt wurde.
    Nun bin ich ein aufgeschlossener Mensch, und ich verstehe wohl den Handelswert von Folklore, abgesehen von den skurrilen Erinnerungen, die da geweckt werden, um das Befinden der Leute auf den Weg zu sanften Träumen zu lenken. Aber die schwülen Sonnentage auf diesen Inseln können den besten Willen lähmen. Und nachdem ich eine Weile im Schatten gerastet, einige Becher Limonade getrunken hatte – von der Art, wie man sie in Hongkong bestenfalls jemandem ins Gesicht schüttet, wenn man wütend über ihn ist –, nachdem mir die Augen übergingen beim Anblick tahitischer Kopfputze und des grellen Federschmucks und ich mir vorkam wie einer, der einen zwar bunten, aber immerhin ziemlich anstrengenden Geschichtsunterricht nachholt, schlich ich mich zu der Bühne, auf der gegen Mittag die große Show aller Inseln lief: Musik, Tanz, Getrommel und Sketche über das verflossene Leben.
    Im Schatten eines riesigen Sonnenschirms hockte hier eine Dame von etwa drei Zentnern, wie einer dieser chinesischen Buddhas. Sie rauchte eine aus losem Tabakblatt gedrehte Zigarre, vielleicht gehörte das zur Show, jedenfalls machte sie den Eindruck einer gemütlichen Person, und sie verkaufte Programme für die Vorführung, die sich nach dem Regenbogen nannte, der auf den Inseln häufig als Symbol benutzt wird, sogar als Markenzeichen von Sonnenöl bis zu kühlen Getränken. Abgesehen davon, daß es ihn nach jedem der dutzendfachen täglichen Regenfälle am Himmel tatsächlich zu sehen gibt.
    Â»Hallo Madame«, sagte ich mit dem Charme eines Kowlooner Friseurs, der auf der Straße vor seinem Laden Kunden anspricht.
    Sie machte eine Bewegung mit ihrem Oberkörper, die Aufmerksamkeit für mich andeuten sollte. Ich kenne diese Art von älteren Damen, sie sitzen auf jedem Markt in Hongkong herum, vor einem Korb Gurken oder einer Schüssel Feuerkäfer, nur daß sie bei uns billiges, ausgeblichenes Kattun tragen oder Kaliko, und hier Mumu’s, jene sackartigen, allerdings gar nicht wie Säcke wirkenden schulterfreien Kleider, bunt wie Tarzan-Comics und ebenso beliebt, obwohl sie einst von den Missionaren eingeführt worden waren, die man nicht so sehr liebte. Sie hatten sich langsam durchgesetzt. In vernünftigen Abwandlungen von der Idee der Missionare.
    Â»Mistah?« Sie sah mich zwischen zwei Zügen an ihrer Zigarre an, und ich schätzte mich glücklich, eine echte Hawaiianerin getroffen zu haben, wenngleich eine mit Übergewicht.
    Sie trug bunte Federn und eine Gummiuhr von Casio am Handgelenk, und als ich sie fragte, wo denn in diesem Zauberland die berühmte Sängerin Hana Teoro auftrete, deutete sie mit der Zigarre zur Bühne hin, wo gerade eine Herde gelenkiger Mädchen in bunten Baströcken den Hula tanzte, mit jenen verführerischen Bewegungen des Unterleibes, jenem Schütteln der Brüste und den kosenden Gesten der Arme, die von den Touristen meist als Ausdruck sexueller Freizügigkeit gedeutet werden.
    Das kann damit enden, daß eine dieser Damen am Abend mehr Körbe verteilen muß, als sie Kinder zu Hause hat, weil sie nicht zu einem Touristen auf die Matte will, sondern zu ihrem eigenen Mann.
    Der Hula ist zwar erotisch anzusehen, aber er ist eben, was kaum ein Tourist ahnt, viel mehr als nur ein Tanz, er ist Ausdruck eines Lebensgefühls, das mit dem Dasein auf den paradiesischen Inseln zu tun hat, mit Wind und Wasser, sich wiegenden Palmen und sanftem Regen, dessen Tröpfchen sich in der heißen Luft auflösen, bevor sie den Boden erreichen. Ich hatte das auch erst lernen müssen. Die Lektion war mir bereits bei meinem ersten Besuch Hawaiis erteilt worden, und zwar von einer Tänzerin, die ich unerfahrener Haole, ein hergelaufener Fremdling, unternehmungslustig zu einem Umtrunk in Zimmernähe eingeladen hatte.
    Â»Tanzt sie auch?«
    Peles üppig ausgeformte Stiefschwester schüttelte ihr krauses Schwarzhaar, blies eine Wolke
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