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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot
Autoren: Qiu Xiaolong
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zu halten.
    Auch Lei, der Imbißbudenbesitzer, rief an und dankte Yu für seine Arbeit. »Ich danke Ihnen aus tiefstem He r zen, Genosse Hauptwachtmeister Yu. Jetzt hat Yin en d lich Ruhe gefunden. Ich bin sicher, daß sie im Himmel ist und lächelnd auf diese Gasse und meinen Imbißstand herunterschaut. Und wissen Sie was? Mein Geschäft geht immer besser. Ich habe daher beschlossen, ihm einen richtigen Namen zu geben: ›Yin & Yang‹ Das ist meine Art, an diese bemerkenswerte Frau zu erinnern, und vie l leicht bringt es mir ja auch mehr Kunden. Eine Zei t schrift hat sich bereits für die Geschichte interessiert, wie sie mir aus meiner Not geholfen hat. Sie ist der guiren – der entscheidende Mensch – in meinem Leben.«
    »Den Lauf des Schicksals werden wir nie verstehen«, sagte Yu, »aber der neue Name für das Restaurant klingt gut, er wird auch Leute ansprechen, die die Geschichte nicht kennen.«
    »Genau. Yin & Yang. Und natürlich sind Sie jederzeit willkommen hier – Mittagessen auf meine Rechnung im Yin & Yang.«
    Schwieriger war es mit den beiden zuvor Inhaftierten, Cai und Wan.
    Cai war bereits an jenem Tag entlassen worden, als man Wan verhaftet hatte, und zwar gegen den Protest des Alten Liang , der darauf hingewiesen hatte, daß Cai noch immer verdächtig wäre, da er kein Alibi für die Nacht des 6. und den Morgen des 7. Februar beigebracht hatte.
    Am Ende hatte Yu energisch werden müssen. »Wenn Cai als Tatverdächtiger inhaftiert wurde, muß er log i scherweise auf freien Fuß gesetzt werden, sobald der Fall abgeschlossen ist. Ich bin es, der hier die Entscheidungen trifft.«
    Widerwillig mußte Alter Liang Cai gehen lassen.
    Was Wan betraf, so war die Situation wesentlich ko m plizierter. Zunächst einmal konnte niemand begreifen, warum Wan sich schuldig bekannt hatte. Er kommentie r te Baos Verhaftung mit keinem Wort. Wie versteinert saß er da, das K i nn auf die Brust gepreßt, und wollte ni e mandem erklären, warum er ein Verbrechen gestanden hatte, das er gar nicht begangen hatte.
    Eines der Mitglieder des Nachbarschaftskomitees meinte, Wan sei nicht voll zurechnungsfähig und der Grund für sein Geständnis müsse eine Art Alzheimer sein. Andere vermuteten, er habe sich nur die Aufmer k samkeit verschaffen wollen, die er seit langem vermißte. Ein Dritter war der Ansicht, Wan sehe sich als den let z ten Soldaten der Kulturrevolution. Und in der Nachba r schaft hieß es, daß er heimlich verliebt sei und sich durch sein Geständnis der unbekannten Geliebten interessant machen wollte. Vielleicht war es eine Kombination aus allen diesen Motiven, die ihn dazu getrieben hatte. Denn wie Chen schon früher bemerkt hatte, mußte Wan sich im heutigen China vorkommen wie ein Fisch auf dem Tro c kenen. Diese Tatsache hatte sich zweifellos auch auf sein Denkvermögen ausgewirkt.
    Alter Liang war wütend auf Wan. Für den Nachba r schaftspolizisten stand fest, daß er irgendwie bestraft werden mußte. »Man sollte ihn für drei oder vier Jahre ins Gefängnis stecken. Wan hat es verdient. Mutwillige Falschaussage! Dieses ehemalige Mao-Zedong-Gedanken-Propagandatruppmitglied ist doch total übe r geschnappt. Der glaubt wohl, er könnte ungestraft tun, was ihm paßt, so wie seinerzeit in der Kulturrevolution. Er lebt völlig in seinen Frühlings-und Herbstträumen, aber unsere heutige Gesellschaft hat schließlich ihre Rechtsgrundlagen.«
    Am Ende war es Parteisekretär Li, der gegen eine B e strafung Wans entschied. »Jetzt reicht ’ s. Wir haben schon genug Geschichten über die Kulturrevolution. W o zu auch noch Wan in Schwierigkeiten bringen? Die Welt dreht sich weiter. Laßt den alten Mann in Ruhe.«
    Politisch gesehen war es natürlich keine gute Idee, auf den katastrophalen Folgen der Kulturrevolution heru m zureiten oder die Leute auch nur an diese schlimme Zeit zu erinnern. Das war ja auch die Trumpfkarte gewesen, die Chen gegen Li ausgespielt hatte, aber so etwas würde dieser natürlich nie zugeben. Jedenfalls wäre es unklug, den Fall Wan politisch zu interpretieren, Yu brauchte sich also nicht weiter einzumischen. Alter Liang war zwar sauer, aber Parteisekretär Li hatte das letzte Wort über Wans Schicksal.
    Dennoch ließ Yu das Rätsel um Wans Geständnis nicht los.
    Er drückte seine Zigarette aus, nahm sein Telefon und ging in die Gemeinschaftsküche.
    Peiqin war noch immer mit Kochen beschäftigt und bewegte sich zwischen Töpfen und Pfannen hin und her. Für zwei war dort kaum
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