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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot
Autoren: Qiu Xiaolong
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Prüfung, die kommende Woche stat t finden sollte. »Außerordentlich wichtig«, hatte Peiqin erklärt. Also war der einzige Tisch im Zimmer bis zum Abendessen für Qinqin reserviert.
    Das Klingeln des Telefons und Yus ständiges Rauchen wären seiner Konzentration nicht gerade förderlich, d a her blieb Yu im Hof, obgleich es dort für diese Jahreszeit empfindlich kühl war. Auf einem Bambusstuhl sitzend, vor sich auf dem wackeligen Gartentisch sein Mobiltel e fon, einen Notizblock sowie einen Becher heißen Tee, hätte er auch einer der fliegenden Händler sein können, die regelmäßig durch die Gasse kamen. Er war dabei, seinen Abschlußbericht über den Fall Yin Lige zu schre i ben. Schließlich war es sein Fall.
    Zugegebenermaßen hatte Oberinspektor Chen trotz seines Urlaubs entscheidenden Anteil an dem Durc h bruch, doch Yu fand, daß er sich als verantwortlicher Beamter wacker geschlagen hatte. Manchmal glich die Polizeiarbeit einer blinden Katze, die sich auf eine tote Ratte stürzt; man mußte eben auch mal Glück haben. A ber immerhin mußte die Katze zur Stelle und bereit sein, im rechten Moment zum Sprung anzusetzen. Chen und er waren über das Stadium hinaus, wo sie Haarspa l terei darüber betrieben, wer welchen Beitrag zur Lösung des Falls geleistet hatte; und was andere dachten, war ihnen sowieso egal.
    Auch Peiqin hatte ihren Teil dazu beigetragen. Obe r inspektor Chen hatte ihre aufmerksame Lektüre gelobt und sich mit i hr über die stilistischen Feinheiten von Tod eines chinesischen Professors ausgetauscht, was sich als entscheidender Hinweis für die Ermittlungen erwiesen hatte.
    Ebenfalls nicht unbeteiligt an dem Erfolg war Alter Liang mit all seinen widersprüchlichen Theorien; iron i sche Willkür von fehlgeleitetem yin und yang, wie Chen es kürzlich formuliert hatte.
    Parteisekretär Li hatte erklärt: »Dieser Mordfall wäre ohne den entschlossenen Einsatz von Hauptwachtmeister Yu ungelöst geblieben.« Was der Parteiboß dabei ve r schwiegen hatte, war, daß der Fall ohne Yus entschloss e nen Einsatz »gelöst« worden wäre, indem man einen U n schuldigen verhaftet und verurteilt hätte. Darüber hatte Li während der Pressekonferenz natürlich kein Wort verl o ren. Außerdem hatte er darauf bestanden, daß Yu sich zu Hause von seinen Mühen erholte, während die Press e konferenz stattfand. Oberinspektor Chen war ohnehin noch beurlaubt, und so war es naheliegend gewesen, daß der leitende Parteikader den Medienvertretern über die bedeutungsvolle Arbeit der Sonderkommission bericht e te. Yu war das nur recht gewesen.
    Dennoch war es für ihn ein Augenblick des Triumphes und der Befriedigung, der ihn die erbärmliche Beza h lung, seinen niederen Rang und das Fiasko mit der Wo h nung vorübergehend vergessen ließ. Aber darüber hinaus würde es ihn vielleicht bestärken, an seinem Beruf als Polizist festzuhalten.
    Während er im Hof saß, klingelte immer wieder das Telefon, und ihm blieb keine Zeit zu ausführlicher Selbstreflexion. Es gab nach wie vor viel zu tun, bevor dieser Mordfall endgültig zu den Akten gelegt werden konnte.
    Was immer Bao zu seiner Verteidigung vorbringen mochte, er würde es nicht leicht haben. Nicht nur die Stadtregierung, sondern auch die Regierungsstellen in Peking hatten ihre Betroffenheit über den tragischen Tod der Genossin Yin Lige zum Ausdruck gebracht. Ihr Mö r der mußte bestraft werden. Soviel stand fest.
    Es war nun Yus Pflicht, Hong, die arme Mutter, die noch immer alle Hoffnungen in ihren Sohn setzte, zu i n formieren. Das war keine angenehme Aufgabe, und er hatte es nicht eilig damit.
    Die andere offene Frage betraf das von Bao entwend e te Manuskript; im Grunde war es ja eher Yangs als Yins Eigentum. Allerdings war es sofort von der Staatssiche r heit beschlagnahmt worden. Er war erstaunt gewesen, daß Oberinspektor Chen keinen Protest geäußert hatte. Darauf würde er ihn später noch einmal ansprechen.
    Gemäß einer Verfügung in Yins Testament würde, was von Yins und Yangs Geld übrigblieb, einem Stipe n dium für englischschreibende Studenten zufließen. Es würde nicht viel sein, und letztlich war das auch nicht Aufgabe der Polizei, aber Yu hatte sich bereit erklärt, das in die Wege zu leiten. Erstaunlicherweise hatte Parteis e kretär Li nichts dagegen gehabt.
    Das Nachbarschaftskomitee war über das besondere Lob seitens der Stadtregierung so erfreut, daß es Yu mit der Bitte ehrte, eine Rede an die Bewohner der Schat z gartengasse
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