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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot
Autoren: Qiu Xiaolong
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geweckt, und er trat ein paar Schritte beiseite, um sich hinter einer weißen Säule zu verbergen.
    »Ach dieser Oberinspektor… so ein selbstgefälliger Typ … unmöglich … absolut von sich überzeugt.«
    Für sein Lauschen gab es keine Rechtfertigung, und doch stand er wie angewurzelt hinter der Säule und ve r suchte sich selbst zu überzeugen, daß er auf diese Weise etwas über Gu herausfinden könne.
    »Immerhin weiß so ein Großkotz, wie man mit einer Frau umgeht… kein so verdammter Bücherwurm … ständig darauf bedacht, daß sein Hals nicht in eine Schlinge gerät. Er würde nie ein Risiko eingehen für e t was, das ihm wirklich wichtig ist.«
    Von seinem Standort aus konnte er nicht jedes ihrer Worte verstehen. Er konnte sich einreden, daß sie über jemand anderen redete, aber er wußte, daß dem nicht so war.
    »Er liebt bloß sich selbst…«
    Was hatte sie so erzürnt? War es seine »politische Korrektheit« oder seine »konfuzianische Moral«?
    Vielleicht war er zu sehr Bücherwurm, um das herau s zufinden. Vielleicht war sie so modern oder postmodern, daß er in ihrer Gegenwart einfach hoffnungslos altm o disch war. Daher auch der unvermeidliche Konflikt. Vie l leicht verstand er sie schlichtweg nicht.
    In einer Zen-Geschichte, die er vor langer Zeit gelesen hatte, kam eine Einsicht immer in Form eines harten Schlags. Nur wenn man aus seinem normalen Selbst g e stoßen wird, kann man die Dinge aus völlig neuer Pe r spektive sehen.
    Vielleicht war es nur ums Geschäft gegangen, und im Geschäftlichen war zur Erreichung eines bestimmten Ziels alles erlaubt. Ihr war es um seine Zustimmung zu tun gewesen und letztlich natürlich um die Zustimmung von Gu. Schließlich würde sie nicht jeden Tag einen so l chen Auftrag an Land ziehen. Jetzt, wo die Arbeit bee n det war, konnte sie objektiv ihre Meinung sagen.
    Aber diese Meinung tat weh.
    Ich bin eine Wolke am Firmament, b eschatte jäh dein Wogenherz – s ei nicht bestürzt e rst recht nicht entzückt – i m Augenblick wird meine Spur vergangen sein.

    Diese Zeilen stammten aus einem anderen Gedicht Xu Zhimos , und auch sie handelten vom zentralen Bild der Wolke. Diese Wolke war einfach nicht für ihn bestimmt. Dennoch wollte er ihr dankbar sein, egal ob ihre Bezi e hung rein geschäftlich gewesen war oder nicht. In diesen hektischen Tagen war sie ihm eine große Hilfe gewesen. Und jetzt, wo alles vorüber war, wünschte er ihr nur das Beste.
    Er beschloß, nicht in das Zimmer seiner Mutter z u rückzukehren. Weiße Wolke würde vermutlich auch dort auftauchen. Für ihn wurde es Zeit, wieder in den Büroal l tag zurückzukehren, in dem er sich inzwischen eingeric h tet hatte wie eine Schlange in ihrer Haut.
    Keine kleine Sekretärin mehr, gar nichts. Er war wahrhaftig dieses unbeschriebene Blatt, an das er beim Krankenbesuch seiner Mutter gedacht hatte.
    Auf dem Rückweg ins Präsidium ging er in ein Reiseb ü ro und buchte für seine Mutter eine Tour mit einer Reis e gruppe nach Suzhou und Hangzhou. Sie hatte seit Jahren keinen Urlaub gehabt – eigentlich seit Anfang der sec h ziger Jahre nicht mehr, als sie ihn auf einen T a gesausflug nach Suzhou mitgenommen hatte. Damals war er ein Junger Pionier, noch nicht einmal schulpflichtig, und se i ne Mutter hatte jung gewirkt, wie sie in einem qipao aus roter Seide neben ihm im Xuanmiao-Tempel stand. Ein solcher Tapetenwechsel würde ihre Genesung befördern, dachte er. Nur schade, daß er sie nicht begle i ten konnte. Er konnte nicht schon wieder Urlaub nehmen, nicht nachdem er einen Anruf von der Zentralen Disziplina r behörde der Partei erhalten hatte, daß er sich für größere Aufgaben bereithalten solle. Aber davon wollte er seiner Mutter noch nichts erzählen.
    »Was für ein aufmerksamer Sohn«, sagte der Verkä u fer im Reisebüro zu ihm.
    Vielleicht war es ja doch nicht so schlecht, Oberi n spektor Chen zu sein.
    Er beschloß, nicht auf zukünftige Möglichkeiten zu hoffen, sondern sofort etwas für die Publikation des von Yang hinterlassenen Manuskripts zu unternehmen. Obe r inspektor Chen war bereit, ein Risiko einzugehen für e t was, das ihm wirklich wichtig war.

24

    Yu war mit dem Abschluss des Falls Yin Lige zufri e den. Er saß im Innenhof, während Peiqin in der Gemei n schaftsküche ein besonders leckeres Abendessen vorb e reitete, »zur Feier der erfolgreichen Lösung des Falls«, hatte sie gesagt.
    Qinqin war völlig absorbiert von den Vorbereitungen für eine wichtige
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