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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot
Autoren: Qiu Xiaolong
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Xiuzhen ist immer gut zu mir gewesen. Sie hätte mich längst verlassen können, aber sie hat zu mir geha l ten. Sie hat mich jeden Tag besucht und mir Essen von zu Hause gebracht. Es war falsch von mir, anzunehmen, sie hätte mich wegen des Geldes geheiratet.«
    »Ja, wenn man in Schwierigkeiten gerät, merkt man, wer wirklich zu einem hält.«
    »Ich verfüge noch immer über gute Kontakte. Ich werde einen Neuanfang in den Ostbergen versuchen.«
    »Nur eine Frage noch, Cai. Warum haben Sie während Ihrer Inhaftierung dem Alten Liang nicht erzählt, was Sie an jenem Morgen wirklich gemacht haben? Wie gesagt, ich bin mit dem Fall Yin betraut. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen; egal was Sie mir erzählen, es wird unter uns bleiben.«
    »Ich vertraue Ihnen, Genosse Hauptwachtmeister. Ich habe in einem Badehaus Mah-Jongg gespielt. Mah-Jongg ist, wie j eder weiß, kein Glücksspiel. Aber Spaß macht es bloß, wenn man mit richtigem Geld spielt. Weil ich in den Siebzigern bereits wegen Glücksspiels verurteilt worden bin, hätte Alter Liang trotzdem ein großes The a ter gemacht, falls er davon erfahren hätte. Er hat mir nämlich schon mal gedroht, daß er mich wieder hinter Gitter bringen wird, als er mich in der Gasse bei einer Grillenwette erwischte.«
    »Verstehe. Aber Mah-Jongg und Grillenwetten sind tatsächlich keine vernünftigen Beschäftigungen.«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort, Genosse Hauptwachtme i ster Yu. Diese zweite Chance werde ich nutzen. Wenn meine Hände je wieder Grillen oder Mah-Jongg-Steine anrühren, dann möge der Himmel meine Finger mit Krebsgeschwüren überziehen.«
    »Gut, ich will Ihnen glauben, aber ich habe noch eine weitere Frage an Sie«, sagte Yu. »Während Sie in Haft waren, hat sich Wan plötzlich bei uns gemeldet und eine Tat gestanden, die er gar nicht begangen hat. Können Sie sich das erklären?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich hat er den Verstand ve r loren, und es soll mir auch egal sein. Wir hatten nämlich vor nicht allzu langer Zeit einen Streit.«
    »Ging es dabei um die Unterstützung Ihrer Familie?«
    »Wan hat ja keine Ahnung, wieviel ich Xiuzhens F a milie jeden Monat gebe. Und es geht ihn im übrigen auch gar nichts an. Diese alte Kröte träumt davon, den weißen Schwan zu beglücken.«
    »Was meinen Sie damit, Cai?«
    »Die Art, wie er Lindi anstarrt, spricht doch Bände. Er will sich bloß bei ihr einschmeicheln, aber da hat er sich verrechnet. Er sollte besser mal auf den Boden pinkeln und sich in der Pfütze betrachten.«
    »Nun ja …« Hauptwachtmeister Yu erinnerte sich an die Szene im Hof, als Wan untätig auf einem Bambu s hocker saß und Lindi zusah, wie sie Spiralmuscheln öf f nete. »Aber das erklärt noch nicht, warum er behauptet hat, der Mörder zu sein.«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht erklären.«
    »Herr Cai, ich habe die Schildkröte gerade in den Dämpfer gelegt«, rief Peiqin aus der Gemeinschaftsk ü che. »Es hat eine Weile gedauert, dieses Monster zu sä u bern. Bitte bleiben Sie doch zum Abendessen. Es dauert nicht mehr lange, bis sie durch ist.«
    »Herzlichen Dank, Peiqin, aber ich muß gehen. Xiu z hen wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht zum Essen heimkomme«, sagte Cai. »Falls ich irgend etwas für Sie tun kann, Genosse Hauptwachtmeister Yu, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Ich bin verläßlich wie ein Pferd oder ein Hund.«
    Yu und Peiqin begleiteten Cai noch bis zum Ende der Gasse.
    »Wir müssen ohnehin warten, bis die Schildkröte fe r tig ist«, sagte Peiqin zu Yu. »Die Briketts, die ich neulich gemacht habe, brennen nicht so gut, deshalb dauert es länger.« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, auf der frische Blutflecken zu sehen waren.
    »Hast du dich geschnitten?«
    »Nein, keine Sorge, das ist bloß Schildkrötenblut.«
    Er wußte nicht, wie lange er noch warten müßte. Al l mählich bekam er Hunger. Um die Zeit totzuschlagen, rief er Herrn Ren an und dankte ihm für die Information über Wan. Dann erwähnte er die Bemerkung, die Cai über das ehemalige Mitglied der Mao-Zedong-Gedanken-Propagandatrupps gemacht hatte.
    »Ich habe keine Gerüchte über Wan und Lindi g e hört«, erwiderte Herr Ren. »Die Leute hier reden ja kaum mit mir. Aber keine Welle ohne Wind. Vor mehreren Monaten habe ich abends einmal beobachtet, wie Wan Lindi einen dicken Umschlag zusteckte.«
    »Sie meinen also, daß Wan sein Geständnis wegen Lindi gemacht hat?«
    »Nun ja, Cai ist der Ernährer der Familie. Wenn er verhaftet
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