Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia

Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia

Titel: Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
belanglos angesichts der Vergänglichkeit allen Seins. Die Ruhe war wohltuend und gab ihr neue Kraft.
    Amalia musste an die zahllosen Menschen denken, die einst gelebt hatten und auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhe fanden. Sie dachte auch an die Romantiker im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, die genau wie sie Friedhöfe genutzt hatten, um sich zu sammeln und zu besinnen. Auf fremden Friedhöfen war das einfacher als auf dem heimischen, wo das Grab ihres früh verstorbenen Vaters jeder Besinnung einen giftigen Beigeschmack gab. Auf dem Gottesacker von Halle aber gab es diesen Wermutstropfen nicht. Er war nicht nur ein Friedhof, sondern ein Kunstwerk, das zum Verweilen einlud.
    Sie spazierte über eine Stunde zwischen den verwilderten Grabsteinen und geflügelten Steinengeln umher, ehe sie den Rückweg antrat. Es war, als habe sie einen Schutzraum verlassen. Sobald sie wieder auf die Straße trat, dachte sie an Aurelius.
    Angespannt sah sie auf die Uhr. Sie hatte noch Zeit.
    Wann immer Aurelius‘ Bild in ihrer Erinnerung aufstieg, wurden ihre Wangen heiß und ihr Magen fühlte sich an wie die Heimat einer Ameisenkolonie. Sie freute sich darauf, sein Gesicht mit weichen Bleistiften auf Papier zu bannen.
    Verwundert fuhr sie sich mit der flachen Hand über ihren rebellierenden Bauch. Sie war schon seit Jahren nicht mehr auf diese Art und Weise verliebt gewesen. Verknallt traf es wohl besser. Gleichzeitig verriet ihr Körper überdeutlich, dass sie für romantische Küsse und Händchenhalten zwar durchaus etwas übrig hatte, aber auch all die anderen Dinge erhoffte, die sich unter anderem im DVD-Bereich für über Achtzehnjährige fanden.
    Sie wollte ihn mehr, als sie je einen Mann zuvor gewollt hatte. Es war nicht nur sein Körper, der sie faszinierte. Es war auch die Tiefe, die in seinen Augen lag und von Geheimnissen erzählte, die ihre Neugier entfachten.
    So etwas war ihr noch nie passiert. Nicht in dieser Form. Das Brennen in ihrem Inneren trieb sie schneller ins Hotel zurück als ursprünglich geplant. Sie zog sich um, schminkte sich sorgfältig und wählte ihre Unterwäsche mit Bedacht. Anschließend packte sie einen kleinen Koffer mit Bleistiften, Knetradierern und dem Malblock zusammen.
    In hohen Stiefeln, einer eng anliegenden Lackhose und einem Nadelstreifenkorsett, das sich glücklicherweise vorne schnüren ließ, stand sie schließlich samt einem plüschbesetzten Mantel an der Rezeption.
    Aurelius ließ sie nicht lange warten. Er trat in Begleitung des dunkelhaarigen Pärchens aus dem Fahrstuhl, das Amalia bereits am Morgen aufgefallen war. Ihre Wangen wurden heiß, als sie dem Blick des Mannes im Gehrock begegnete. Er und seine Begleiterin wirkten nicht viel älter als sie selbst. Dennoch hatten sie etwas an sich, das Amalia verstörte.
    Es waren ihre Augen. Sie wirken unendlich alt und zeitlos. Tausend, fünf. Alles und nichts lag darin. Es waren dunkle, geheimnisvolle Seen, in deren Tiefen sich Schätze und Monster verbargen.
    Aurelius umarmte sie flüchtig. Amalias Augen wurden groß bei der Berührung. Ihr war, als würde ihr Körper schlagartig heißer werden. Sein Geruch ließ sie schneller atmen. Hoffentlich war sie nicht so rot wie ein Krebs. Verlegen strich sie sich durch ihr Haar, als er sich von ihr löste, und wünschte sich gleichzeitig, er hätte sie nie losgelassen.
    Die Frau beugte sich vor und gab Amalia einen spitzen Kuss auf die Wange. Auch sie roch ungewöhnlich intensiv. Nach Kirsche und Honig. Vermutlich hatte sie ein besonders fruchtiges Parfüm aufgesprüht. Ihre Stimme war tief und rauchig.
    „Nett, dass du uns begleitest. Aurelius hat schon viel von dir erzählt. Er scheint kein anderes Thema mehr zu kennen.“
    „Wirklich?“, entgegnete Amalia verdutzt und betrachtete Aurelius, der unschuldig zur Decke des Hotelvorraums aufsah. Seine anmutige Gestalt spiegelte sich in den mit schwarzen Blüten verzierten Spiegelkacheln über ihnen. Empfand er für sie das Gleiche wie sie für ihn?
    „Wir sind froh, wenn noch jemand mitkommt“, sagte der Mann an ihrer Seite. Er strich sich eine schwarzbraune Haarsträhne hinter ein Ohr und lächelte. „Das ist übrigens Grace, und sie ist nicht immer unausstehlich. Nur wenn sie noch nichts gegessen hat.“ Er reichte ihr die Hand. „Ich bin Darion.“
    Amalia schloss ihre Finger fest um seine und erschrak über das Gefühl, das er ihr nur mit diesem Händedruck vermittelte. Obwohl er nicht fest zudrückte, fühlte sie sich, als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher