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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit
Autoren: Jael Backe
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können Bakterien leichter nach oben in die Blase aufsteigen.
• Während der Schwangerschaft kommt es zu einer spezifischen Unterdrückung des Immunsystems. Daher sind Blase und Nieren anfälliger für Infektionen.
    Nun ist es so, dass eine Harnwegsinfektion in der Schwangerschaft nicht einfach ignoriert werden darf. Manche Studien weisen darauf hin, dass möglicherweise ein Zusammenhang zwischen einer solchen Infektion und der Entstehung einer sogenannten Präeklampsie besteht (AWMF-Leitlinie Nr. 043/044). Das ist eine Erkrankung, die mit erhöhtem Blutdruck und vermehrter Eiweißausscheidung im Urin einhergeht. Es gibt auch Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Bakterien im mütterlichen Urin und niedrigem Geburtsgewicht des Kindes sowie Frühgeburtlichkeit nahelegen.
    Aus diesen Gründen stellt die Schwangerschaft einen Sonderfall in der Urindiagnostik und in der Behandlung von Harnwegsinfektionen dar: Während bei gesunden nicht schwangeren Frauen das bloße Vorhandensein von Bakterien im Urin nicht behandlungsbedürftig ist, wird von den Fachgesellschaften für Sie als Schwangere ausdrücklich die Behandlung mit Antibiotika gefordert, wenn in Ihrem Urin Bakterien nachgewiesen werden. Das gilt auch für den Fall, dass Sie gar keine Symptome wie Brennen beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen, blutigen Urin oder ununterdrückbaren Harndrang haben. Man spricht in diesen Fällen von der sogenannten asymptomatischen Bakteriurie (AWMF-Leitlinie Nr. 043/044). In Europa, in Amerika und in Australien besteht laut Studienergebnissen bei 4 bis 7 Prozent aller Schwangeren eine derartige asymptomatische Bakteriurie.
    Laut Leitlinien soll die symptomlose Bakterienausscheidung im Urin in der Schwangerschaft behandelt werden, um schwerwiegende Folgen für Mutter und Kind zu verhindern. Da es sich in diesem besonderen Fall um eine Situation handelt, bei der körperliche Beschwerden fehlen, hängt die Entscheidung zur Behandlung mit Antibiotika ausschließlich von den Ergebnissen der Urinuntersuchung ab – es handelt sich um eine reine Labordiagnose.
    Leider ist es so, dass Ärzte hier nur die erhobenen Laborwerte behandeln und nicht Sie als Patientin. Es ist nicht mehr wichtig, Ihnen zuzuhören, Sie zu beobachten und zu untersuchen. Allein das Lesen von Laborwerten steht im Mittelpunkt, und diese werden häufig noch nicht einmal mit aussagekräftigen Methoden erhoben.
    Das ist die Hauptursache des geschilderten Problems: Wenn der Einsatz von Antibiotika bei der asymptomatischen Bakteriurie ausschließlich von einem Laborwert abhängt und nicht von Ihren Beschwerden, dann muss der Urintest auch qualitativ sehr hochwertig und aussagekräftig sein. Nur so kann die Fehldiagnose oder Übertherapie vermieden werden. Die heute vorwiegend angewendeten Urinteststreifen können diese Anforderung aber mit Sicherheit nicht erfüllen.
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    Was sagen dazu die Mutterschafts-Richtlinien in ihrer aktuellsten Fassung? Sie schreiben vor, dass alle vier Wochen der Mittelstrahl-Urin auf Eiweiß, Zucker und Sediment (Betrachtung der festen Bestandteile des zentrifugierten Urins unter dem Mikroskop) untersucht werden muss. Eine bakteriologische Untersuchung wird nur bei auffälliger Krankengeschichte oder auffälligem Sedimentbefund gefordert.
Über die Ungenauigkeit der Urindiagnostik mit Teststreifen und Mikroskopie
    Tatsache ist, dass von niedergelassenen Frauenärzten, Hebammen und Kliniken im Rahmen der Schwangerenvorsorge fast ausschließlich Schnellteststreifen für die Urinanalyse eingesetzt werden. Die sogenannten bakteriologischen Untersuchungen werden selten angewendet, denn sie sind zu umständlich und zu teuer. Sie sind in den Mutterschafts-Richtlinien auch nicht näher spezifiziert worden.
    Das kann so nicht ausreichen. Mit meiner Kritik bin ich nicht alleine. Die Verwendung der Urinteststreifen wird auch in der aktuellen S3-Leitlinie »Harnwegsinfektionen«, die im Juni 2010 veröffentlicht wurde und von mehreren Fachgesellschaften gemeinsam erstellt wurde, sehr kritisch bewertet (AWMF-Leitlinie Nr. 043/044). Dort steht: »Die in der Praxis in der Regel durchgeführten Streifentests haben nur eine geringe Sensitivität [Anm. d. Autorin: Entdeckungsrate] von 14 Prozent bis 50 Prozent für eine symptomlose Bakterienausscheidung im Urin in der Schwangerschaft.« Daher reiche der alleinige Einsatz der
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