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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit
Autoren: Jael Backe
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zu hohe Werte anstiegen.
    Da man die Risiken dieses zu hohen Eisenwertes in der Schwangerschaft noch nicht abschätzen kann, empfehlen die Autoren dieser großen Studie, dass man die Routine der Eisengabe an schwangere Frauen überdenken sollte.
    Dies möchte auch ich hier zu bedenken geben: Weniger künstlich zugeführtes Eisen in der Schwangerschaft wäre in vielen Fällen besser als zu viele unkritisch eingesetzte Eisenmedikamente.
»Mangel« verkauft sich gut
    Warum hört und liest man eigentlich immer nur vom Eisenmangel? Jede Apothekenzeitschrift, jeder Schwangerschaftsratgeber, jedes Internetforum und auch die Lehrbücher strotzen geradezu vor Werbung für Eisenprodukte und vor Mahnungen bezüglich des drohenden Eisenmangels. Das Thema Mangel verkauft sich einfach besser als das Thema Übermaß. Wieso thematisiert eigentlich keiner die Risiken der Eisenüberladung? Ich wundere mich, mit welcher unreflektierten »Arzneiroutine« 1 fast jede Schwangere im Laufe der Schwangerschaft mindestens ein Rezept für ein Eisenpräparat erhält, wenn der Hämoglobinwert im Blut »zu niedrig« ausfällt. Im Folgenden werde ich erläutern, warum zahlreiche Schwangere entweder unnötig mit Eisenpräparaten »gefüttert« werden und andere schwangere Frauen mit einer wirklichen Anämie unerkannt bleiben.
Eine Frage der Definition: Was ist eine Schwangerschaftsanämie?
    Laut Mutterschafts-Richtlinien soll zur Erfassung einer Anämie in der Schwangerschaft im Abstand von jeweils vier Wochen der Hämoglobinwert bestimmt werden. Wenn er weniger als 11,2 Gramm pro Deziliter beträgt, soll eine Zählung der roten Blutkörperchen erfolgen. Dies wird in Deutschland von allen Ärzten und Hebammen so praktiziert. Doch dieses empfohlene bzw. vorgeschriebene Vorgehen ist nicht sinnvoll und medizinisch unprofessionell.
    Der Hintergrund: Wenn Sie schwanger sind, ändert sich die Zusammensetzung Ihres Blutes, um die Versorgung Ihres ungeborenen Kindes gewährleisten zu können. Das ist in jeder Schwangerschaft so. Die Masse der roten Blutkörperchen nimmt um 30 Prozent zu, das Blutplasma (der flüssige Anteil des Blutes) nimmt hingegen um 50 Prozent zu. Auf diese Weise wird das Blut verdünnt – man nennt das »Verdünnungsanämie« (Breymann 2011). Diese wurde früher auch als »physiologische Anämie«, also als eine in der Schwangerschaft »normale Anämie« bezeichnet: Ein Abfall des Hämoglobinwertes um 2 bis 4 Gramm pro Deziliter ist in diesem Zusammenhang normal und sinnvoll.
    Der unterste Hämoglobinwert, der in der Schwangerschaft stadienabhängig noch »normal« ist, liegt laut Leitlinien in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft bei 11 Gramm pro Deziliter, im vierten bis neunten Monat sinkt er sogar auf 10 Gramm pro Deziliter ab. Ein solcher Hämoglobinwert wäre bei einer Nicht-Schwangeren deutlich zu niedrig. Erst bei Werten unterhalb dieser Grenzen spricht man von einer »echten« Schwangerschaftsanämie.
    Wieso steht denn das in keinem Schwangerschaftsratgeber und in so wenigen Lehrbüchern? Aus welchem Grund werden so oft zu hohe Normwerte zugrunde gelegt? Weshalb wird überall ein Eisenmangel beschworen, der alle Schwangeren bedroht? Aus welchem Grund wird von Experten empfohlen, ausnahmslos allen Schwangeren prophylaktisch Eisen in einer Dosis von 30 bis 40 Milligramm pro Tag zu geben (Kainer 2011)?
    Es kommt mir so vor, als ob viele Frauenärzte und Hebammen gar nicht wissen, dass diese Blutverdünnung in der Schwangerschaft normal ist und dass für Schwangere niedrigere Hämoglobin-Normwerte existieren. Stattdessen wenden sie die Normwerte von Nicht-Schwangeren an. Sogar in Lehrbüchern für Geburtshilfe werden teilweise definitiv falsche Angaben zu den Hämoglobin-Normwerten gegeben – sie sind für Schwangere viel zu hoch.
Achten Sie auf Laborkosmetik
    Regelmäßig erlebe ich, dass Schwangere Eisenpräparate empfohlen und verschrieben bekommen, obwohl sie einen für die Schwangerschaft völlig normalen Hämoglobinwert haben. Ein niedriger Laborwert löst beim Arzt – ohne nachzudenken – den Reflex »Rezept ausstellen« aus. Das ist ein klassischer Fall von Arzneiroutine, der Ärzte allzu oft unterliegen. Sie bedenken nicht, dass manche Veränderung von Laborwerten einen tieferen Sinn und eine
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