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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit
Autoren: Jael Backe
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ich nicht einmal weiß, ob sie tatsächlich aussagekräftig sind. Ich stecke als Ärztin im Laufrad der blinden, vorschriftsmäßigen Routine. Deswegen hinterfrage ich in diesem Buch auch den Sinn und die Aussagekraft einiger Untersuchungen, die die Mutterschafts-Richtlinien vorschreiben. Um es vorwegzunehmen: Es gibt hier viele Untersuchungen, die nicht notwendig wären, und ebenso viele, die nicht aussagekräftig sind. Und dennoch werden diese tagtäglich bei Tausenden von Schwangeren durchgeführt.
    Wir Ärzte machen das alles mit – wir sind nur noch blinde Vollzugsorgane. Das Problem liegt hier allerdings nicht nur beim einzelnen Arzt, sondern ist vielmehr ein grundlegendes Thema unseres Gesundheitswesens. Dazu gehört unter anderem die wesentliche Frage: Wie weit sollte sich die Vorsorgemedizin mit ihren Interessen in Ihre Individualsphäre als schwangere Frau einmischen dürfen, wie sehr darf das, was wir in der Vorsorge erreichen können, zu einer Norm für alle werden?
    Ich für meinen Teil will mit diesem Buch nicht nur versuchen, der aktuell praktizierten Schwangerenvorsorge in Deutschland einen kritischen Impuls zu geben. Ich möchte Ihnen Mut machen, selbstbewusst und kritisch an der Schwangerenvorsorge teilzunehmen. Ich möchte Sie ermuntern, sich nicht von allen erdenklichen Risiken erdrücken zu lassen, sondern die gute Hoffnung in sich wachsen zu lassen.
    Â 
    Prof. Jael Backe, im Sommer 2012

Kapitel 1
Urin- und Blutuntersuchung – welche sind sinnvoll?
Zu viele Bakterien im Urin, zu wenig Eisen im Blut – über unsinnige Untersuchungen und unnötige Behandlungen in der Schwangerschaft
    Â»Die Medizin unseres Jahrhunderts hat ein prinzipielles Monopol auf das Wissen beansprucht, aufgrund dessen sie Normwidrigkeit erst bestimmen, dann erkennen und schließlich behandeln kann.«
    (Duden 2002a)
Ihr Start in die Schwangerenvorsorge
    Wenn Sie als schwangere Frau zur Vorsorgeuntersuchung in die gynäkologische Praxis kommen, erhalten Sie einen Becher und werden gebeten, diesen mit frischem Mittelstrahl-Urin zu füllen und im Labor der Praxis abzugeben. Dort taucht eine Praxismitarbeiterin möglichst zeitnah einen Teststreifen hinein und liest ab, ob das vermehrte Auftreten von Blut, Eiweiß, Zucker, weißen Blutkörperchen, Nitrit und Ascorbinsäure im Urin angezeigt wird. Das Ergebnis wird bei jeder Vorsorgeuntersuchung in Ihrem Mutterpass notiert und vom Arzt interpretiert. So sehen es die Mutterschafts-Richtlinien vor (G-BA 2012). Doch es können sich Situationen daraus ergeben, die zu unsinnigen Therapien führen. Lassen Sie mich dies an zwei Beispielen aus der Praxis erläutern.
Fallbeispiel: Carina K., 24 Jahre
    Carina K. ist zum ersten Mal schwanger und 21 Schwangerschaftswochen weit. Bisher gab es keine Besonderheiten im Schwangerschaftsverlauf. Sie ist gesund und hatte noch nie eine Erkrankung der Nieren oder der Harnblase. Carina kommt zur Vorsorgeuntersuchung in meine Praxis und gibt wie gewöhnlich ihren Urin ab. Die Indikatorfelder der Teststreifen zeigen an, dass in Carinas Urin vermehrt weiße Blutkörperchen und Nitrit vorhanden sind, auch die roten Blutkörperchen sind gering erhöht. Dies wird im Mutterpass vermerkt. Hat sie eine Blasenentzündung?
    Ich befrage sie nach typischen Beschwerden wie Brennen beim Wasserlassen, häufigem Harndrang oder auffallendem Geruch des Urins. Sie verneint dies, es geht ihr gut. Auf meine Frage, wie viel sie täglich trinkt, gibt sie einen knappen Liter an. Heute hat sie erst einen halben Liter getrunken. Es ist Sommer und sehr warm draußen. Deswegen vermute ich, dass ihre heutige Trinkmenge zu gering war, sie hat viel geschwitzt. Der Urin ist sehr konzentriert, sieht dunkelgelb aus. Wir vereinbaren, dass sie noch einmal zur Urinkontrolle kommen soll, nachdem sie mindestens 2 Liter Wasser oder Tee getrunken hat. Bei dieser zweiten Urinuntersuchung sehen wir einen klaren, hellen Urin. Die Teststreifen zeigen keinen Farbumschlag an.
    Was folgern wir daraus? Die Aussage der Urinteststreifen wird durch die Trinkmenge beeinflusst. Ein verdünnter Urin wird durch diese Streifen eher als »gesund« bewertet, ein konzentrierter Urin kann fälschlicherweise als Blasenentzündung gedeutet werden. Die Teststreifen sind in ihrer Aussage nicht zuverlässig.
Fallbeispiel: Annabell W., 30 Jahre
    Annabell W. erwartet ihr drittes Kind. Sie ist in der
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