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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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Suppenschüssel und der Unbill der Welt, entschwanden die Mengen und just das gesamte Café und es war, als wandele er in einem begrünten Innenhof, und es musste sein der begrünte Innenhof der Germanistischen Fakultät, vielleicht tief versunken in komplizierten Gedanken, brütend über einem allerneuesten literarischen Problem, vielleicht aber auch nicht, wandelte so dahin und in sie hinein und nachdem sich ihre und seine Skripten miteinander befreundend um den Springbrunnen – ach nein, nachdem die Terrine auf dem Boden zerschellte und in Abermillionen Einzelteile sich verpuffte, sagte ich:
    Hoppala!
    Das, sagte er, er hatte sich gebückt und zwei Teile der Suppenschüssel aufgehoben, richtete sich auf, das, sagte er –
    Ich erhob mich ebenfalls und hatte ein Stück von der Schüssel in der Hand, das sagt heute kein Mensch mehr, sagte ich, ich lachte, ich weiß.
    Wir lächelten uns an, während wir sinnlos das ein oder andere Stück der Suppenschüssel aufhoben und uns die windzerzausten Haare aus den Gesichtern strichen, denn es war Abend und Sommer und der Wind ist ein wilder Geselle und er wühlt in göttlichen Bärten und in jungen Herzen und Sydow würde sagen, willst du mich –
    Und ich würde sagen, heiraten –
    Und er würde sagen, ja!
    Und ich würde sagen, willst du dir –
    Und er würde sagen, meine Plätzchensammlung ansehen –
    Und ich würde sagen: Umgekehrte Reihenfolge.
    Und er würde sagen, stimmt.
     
    Er würde mich ansehen und ich würde ihn ansehen und wir würden Stücke der Suppenschüssel in den Händen halten und der Wind würde uns die Haare zerzausen, die Herzen und die ganze Haut und das H wie ein Hauch würde uns anwandeln und um- und umkehren von zuoberst bis zuunterst und er würde sagen, ich habe ein literarisches Problem. Ich brüte über einer komplizierten Sache. Ist, würde er fragen und die Scherben auf den Tresen legen und sich die Haare aus dem Gesicht streichen, ist der Konjunktiv die schönere Welt.
    Und ich würde ihn an den Händen fassen und die Liebe ist ein schönes Tier und ich würde sagen, nein. Wär ja noch schöner.
    Okay, sagte er, okay. Er holte tief Luft und eins, zwei und drei und Rhabarber Rhabarber und dann einfach nah an den Abgrund und da ist die Weite des Meeres, der Himmel und von allem anderen und die Augen zu und: Sprung.

138. Meine wahre Identität

    Ja, meine lieben Leser, ich muss nun wohl Butter an die Kartoffeln geben: An dieser Stelle haben mich die Ereignisse überrollt und auf ganz ungeahnte Art und Weise erfasst. Gewiss, Frederik und ich waren uns drüben in Pommern schon über den Weg gelaufen, aber denken Sie, wir hätten uns auch nur die Bohne füreinander interessiert? Mitnichten, ich hielt ihn für arrogant, eingebildet und frech und ich war für ihn der tollpatschige Backfisch, der kichernd in ein Loch auf Tante Hildegard fällt – allesamt nicht die besten Vorraussetzungen, um einander Liebespfeile in den relevanten Muskel zu schießen.
    Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich aber doch gerne weiter im diskreten Personalpronomen tummeln, gerade wenn es – wie im folgenden Abschnitt – eher intim wird, ist mir das sonst unangenehm und ich fange womöglich aus Schamhaftigkeit an, weitschweifig zu werden.
     
    Später nämlich wird er sie, in einer Nacht, während er schnurrend um ihre Hüften streicht, fragen, ob sie nicht vielleicht gerade ihren Vater anrufen wolle.
    Jetzt?, wird sie rufen, auf keinen Fall!
    Und sie wird ein paar Monate später einen Ball für ihn unter ihrem Kleid spazieren tragen, er wird endlich seine politische Forderung nach der Demokratisierung des Ballsportes umgesetzt haben, zumindest: a small step. Aber er plant noch Weiteres, nebulös ahnt er es am Horizont aufdämmern: seine eigene Fußballmannschaft. Nie mehr das Mitspielerproblem im Park, herrlich.
    Und das Beste ist: alles in der Zukunft! Kein Konjunktiv weit und breit! Wenn das mal nicht ein Sieg der Realität ist! Und dabei: so ungemein kunstvoll!
     
    Es wird kommen, so viel steht fest. Aber noch sind wir nicht ganz so weit, noch ist es ein Abend, nein, der Abend im Café, es ist der Abend, an dem er das Meer überblickte und die Weite der Himmel und alles anderen, und das war viel, das war: unendlich viel.
    Es ist der Abend, an dem er Furcht empfand und trotzdem sprang. Und etwas Besseres hatte er in seinem Leben noch nie gemacht.
     
    Moment mal!, rufen Sie da entrüstet, weil da kommt Ihnen doch so was wie Moral und ein Bedürfnis
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