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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn
Autoren: Klaus Wanninger
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des Waiblinger Kripo-Kollegen Ralf Entenmann handelte, setzte sich an den Schreibtisch, begann zu lesen.
    Eine junge Frau, Jessica Nägele, war in der Nacht gegen 23.50 Uhr in der Waiblinger Innenstadt überfallen worden. Nur die schnelle Reaktion einer anderen Frau, Vanessa Dobler, die um diese Zeit ihren Hund ausführte und den Hilfeschrei der Überfallenen hörte, hatte das Schlimmste verhindert. Frau Dobler war im ersten Moment überhaupt nicht klar, woher das schrille Schreien kam, hatte jedoch blitzschnell ihren Hund von der Leine gelassen und das Tier losgeschickt. Der kräftige Rottweiler war ohne jedes Zögern losgestürzt und hatte den Täter von der Seite angefallen, ihn zu Boden gerissen und so lange knurrend bewacht, bis die von aufmerksam gewordenen Anwohnern alarmierte Schutzpolizei an Ort und Stelle aufgetaucht war und den Täter in Haft genommen hatte. Jessica Nägele war mit schwersten Würgemerkmalen am Hals und unzähligen Entstellungen im Gesicht ins Waiblinger Kreiskrankenhaus überführt worden. Beim Täter handelte es sich um den 42-jährigen, stark alkoholisierten Eugen Illg.
    Braig legte das Blatt auf seinen Schreibtisch, atmete kräftig durch. Ein Überfall, überlegte er, kein Mord. Dazu ein alkoholisierter Täter, kein Drogenkonsument.
    Er spürte, wie er zitterte, versuchte sich selbst zu beruhigen. Noch war er nicht geschehen, der dritte Mord, noch waren sie davor bewahrt geblieben.
    Braig nahm das nächste Blatt zur Hand, las die handschriftlichen Aufzeichnungen Ralf Entenmanns. Er habe kein Interesse, sich in die Ermittlungen des LKA einzumischen, aber eine Bemerkung des in der Nacht sofort herbeigerufenen Arztes, Dr. Raile, habe ihn stutzig gemacht. Die Frau sehe fast genauso aus wie die von Montagnacht. Weit gehend identische Verletzungen – mit dem einzigen Unterschied, dass der Hund den Täter daran hinderte, sein Werk zu vollenden. Zur Sicherheit habe er, Entenmann, eine DNA-Analyse des Täters veranlasst. Falls das LKA wünsche, könne man gern einen Vergleich erstellen.
    Braig starrte elektrisiert auf die Zeilen, überflog die Worte des Arztes mehrmals. Er erinnerte sich an den Mann, hatte sofort wieder seine von ihm als rassistisch empfundene Bemerkung – »irgendein heißblütiger Südländer vielleicht, ein Italiener, Spanier oder Türke« – hinsichtlich der Charakterisierung des Täters im Ohr. Ein dummer, wahrscheinlich im Stress der dienstlichen Beanspruchung hingeworfener Satz ohne hintergründige Gedanken. Seltsam, dass solche Nichtigkeiten im Gedächtnis haften bleiben, andere, wesentlich wichtigere Sachverhalte aber dem Vergessen anheim fallen.
    Braig spürte die Aufregung, die ihn gepackt hatte, legte das Blatt neben das Telefon, wählte die Nummer Entenmanns. Der Kollege war sofort am Apparat. Braig stellte sich vor, dankte für die Information.
    »Dr. Railes Bemerkung machte mich stutzig«, sagte Entenmann. »Er ist ein tüchtiger Arzt. Ich kenne ihn schon länger.«
    »Die Frau wurde nur durch den Hund gerettet?«
    »Es sieht so aus, ja. Wir konnten den Täter bisher allerdings noch nicht vernehmen. Er liegt immer noch im Alkoholdelirium.«
    »Wie sah die Frau aus?«
    »Grauenvoll. Als ob der Teufel sich persönlich mit ihr befasst habe.«
    »Wie bitte?«, rief Braig. Er dachte an den Moment zurück, als er die Leiche Christina Banglers zum ersten Mal anschauen musste. Als ob der Teufel sich persönlich mit ihr befasst hätte. Genau das Gleiche hatte auch er in jenem schrecklichen Augenblick gedacht. »Die Backen, die Stirn, die Augenpartien zerkratzt?«, fragte er laut.
    »So kann man das formulieren, ja. Ich weiß nicht, ob die junge Frau diese Entstellungen jemals wieder verliert.«
    »Kann ich die Nummer des Arztes haben?«, fragte Braig. »Und die DNA-Analyse. Würden Sie mir das Ergebnis bitte mailen, sobald es vorliegt?«
    Entenmann gab ihm die gewünschte Nummer, sagte die schnellstmögliche Übermittlung der Analyse zu.
    »Wo befindet sich der Täter?«
    »Im Krankenhaus. Unter strengster Bewachung.«
    »Ich melde mich, danke.«
    Braig spürte seine steigende Erregung, drückte hastig auf die Gabel, wählte die Nummer Dr. Railes. Belegt.
    Er sprang auf, lief zum Wasserhahn, schenkte sich ein Glas voll, trank es auf einmal aus. Als ob der Teufel sich persönlich mit ihr befasst hätte. War dieser Illg der Teufel, den sie suchten? War es möglich, dass sie näher am Ziel waren, als sie glaubten?
    Er ging zur Kaffeemaschine, füllte Pulver und Wasser
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