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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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»Uns bleiben keine zwei Stunden, wenn sie wirklich das plant, was wir vermuten.«
    Neundorf wurde ruhig, setzte sich auf einen der Stühle. »Du kennst den Kerl?«, fragte sie.
    »Temp?«
    Sie nickte.
    »Woher?«
    »Aus der Zeitung zum Beispiel. Da gibt es so manche Informationen.«
    »Wir sollten nicht philosophieren, sondern die Kollegen informieren. Rein vorsichtshalber, falls sie es wirklich vorhat. Die Frau ist gefährlich.«
    »Gefährlich?« Neundorf schüttelte den Kopf. Sie hatte alle Farbe im Gesicht verloren. »Gegen den Kerl ist Frau Eitle harmlos.«
    »Sie hat vier Menschen ermordet. Und wenn wir uns nicht beeilen, kommt bald ein fünfter dazu.«
    »In Deutschland gab es bis vor wenigen Jahren ein Gesetz, das vorschrieb, dass keine Person mehr als einen Fernsehsender besitzen dürfe. Diese Verordnung war nach langem Überlegen eingeführt worden. Das Hugenberg-Imperium hatte mit seinem Zeitungsmonopol Hitler in der Weimarer Republik den Weg geebnet. Diese oder ähnliche Entwicklungen wollte man mit dem Gesetz vermeiden.«
    »Vollkommen zu Recht«, kommentierte Braig, »wir sollten alles dafür tun, Strukturen aufzubauen, die unsere Demokratie schützen, soweit es möglich ist.«
    »Dann begann ein schnell zu viel Geld gekommener Typ sich trotzdem einen Sender nach dem anderen einzuverleiben. Gegen jedes geltende Recht. Und was war die Konsequenz?«
    Neundorf wartete vergeblich auf eine Antwort Braigs.
    »Der Kerl wurde nicht gezwungen, sich an die Gesetze zu halten. Nein, die zuständigen Politiker ließen ihn treiben, was er wollte. Schließlich stand er ihrer Partei nahe und stellte seine Sender ihrer Propaganda zur Verfügung. Und kurz darauf wurde dieses Gesetz abgeschafft, um seine Geschäfte zu legalisieren. Vor wenigen Jahren.«
    Sie trommelte mit ihren Fingern auf den Tisch, schaute zu Braig auf.
    »Warum läuft das so in unserem Staat? Die Großen betrügen, verstoßen gegen Gesetze, raffen Millionen zusammen. Was ist die Folge? Sie werden bestraft?« Neundorf schüttelte den Kopf, gab sich selbst die Antwort. »Nein, die Gesetze werden geändert. Und zwar so, dass die Großen weiter raffen können. Noch mehr. Obwohl dadurch Monopole entstehen, die einen deutschen Staat schon einmal in die Katastrophe trieben. Und die Kleinen?«
    Sie betrachtete ihren Kollegen.
    »Frau Eitles einzige Tochter wurde ermordet. Warum? Ist das ganz allein die Schuld eines 18-jährigen pubertierenden Jugendlichen?«
    Braig schüttelte den Kopf.
    »Warum werden bei uns nur die Kleinen verurteilt?«, fragte Neundorf. »Ist es wirklich unsere Aufgabe als Polizeibeamte, die Kleinen zu jagen, um die Großen zu schützen?«
    Sie stand von dem Stuhl auf, lief an den Schrank, kramte in den Perücken. »Andreas Stecher und Benjamin Bartle, sofern er beteiligt war, tragen Schuld, schwere, niemals zu vergebende Schuld. Sie haben ein junges Mädchen ermordet. Aber derjenige, der durch seine Geschäfte dazu beitrug, dass ein Jugendlicher in diesen Abgrund stürzte, soll jetzt dank unseres Einsatzes als Polizisten wieder ungeschoren davon kommen? Warum? Wieso sollen die Großen immer verschont werden? Nur weil die Strukturen unserer Gesellschaft darauf angelegt sind, die Kleinen zu fangen, den Großen aber jede Verantwortung zu erlassen?«
    Neundorf zog die Gesichtsmaske Andreas Stechers vor, betrachtete sie. »Frau Eitle hat nach der Aussage des behandelnden Arztes keine Chance. Er gibt ihr bestenfalls noch ein paar Wochen.«
    Braig schaute seine Kollegin überrascht an, er versuchte zu verstehen, warum sie in dieser Situation solch einen langen Vortrag hielt.
    Neundorfs Gesicht gewann langsam wieder an Farbe. »Es war meine Idee, dass sie hinter den Morden steckt.«
    Braig gab keine Antwort, begriff, worauf sie hinauswollte.
    »Dass sie gegen diesen Kerl vorgehen will, ahnen wir nur, weil wir in die Wohnung hier eingedrungen sind. Kannst du mir den Durchsuchungsbefehl dafür zeigen?«
    Sie hatte die Maske Stechers über ihr Gesicht gezogen, betrachtete sich in einem kleinen Spiegel.
    »Ob wir einen haben oder nicht, in dem Fall interessiert sich kein Mensch dafür.«
    »Richtig. Wer ist schon Frau Eitle? Eine kleine, unbedeutende Person. Hat ihre Tochter verloren, Pech. Leidet an Krebs, doppeltes Pech. Welche Konsequenzen aber hätten wir zu erwarten, wären wir auf denselben Verdacht hin ohne Durchsuchungsbefehl in die Wohnung dieses Senderbonzen oder in eine seiner befreundeten Politiker eingedrungen?«
    Braig lachte
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