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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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sie.
    Zwei Etagen tiefer fand er die Gesichtsmaske. Er zog sie vor, faltete sie auseinander. Perfekt, wie auf einem der Fotos.
    Neundorf hatte die Karte von Carcassonne und Umgebung in der Hand. Daneben einen Fahrplanauszug der Bahn. »Hier«, sagte sie, »sie benutzte dieselben Züge wie ich. Nur jeweils einen Tag früher. Die unbekannte Frau, auf die die französischen Kollegen bei ihren Recherchen stießen.« Sie blickte auf, überlegte. »Warum Bartle?«, fragte sie.
    Braig wusste die Antwort. Bianca Eitle hatte sie ihm selbst gegeben. »Weil er an Manuelas Tod beteiligt war.«
    »Woher wollte sie das wissen?«
    »Vielleicht hat Andreas Stecher es ihr bei ihrem Besuch im Gefängnis erzählt.«
    Dann der Stadtplan Ludwigsburgs mit dem Favoritepark und mehreren handschriftlich eingefügten Markierungen am Zaun des Grüngeländes. Darunter ein Veranstaltungshinweis zum
Nachtcafé
.
    »Harf«, erklärte Neundorf, wies auf die Diskussionsteilnehmerliste, auf der der Name des Fernsehmanagers auftauchte.
    Braig kramte in dem Klappschrank. »Noch eine Maske Stechers«, sagte er, »wozu?«
    Neundorf sah auf, betrachtete ihren Kollegen, der sich die Maske vors Gesicht hielt. Sie unterschied sich in nichts von den Fotos, die sie von Andreas Stecher gesehen hatte.
    Plötzlich schrak sie zusammen. »Oh, mein Gott.«
    Braig legte die Maske ab, schaute zu seiner Kollegin. Sie hatte einen Zeitungsartikel aus dem Ordner gezogen, las ihn aufmerksam durch. Braig merkte, wie sie erbleichte.
    Neundorf schaute auf die Uhr, legte den Artikel auf den Tisch. »Wo ist die blonde Perücke?«, fragte sie. »Ist keine einzige dabei?«
    Braig sah sie mit großen Augen an, begriff plötzlich, was sie meinte. Er wühlte im Inhalt des Klappschranks, zog mehrere Perücken vor. Alle Farben dabei, nur nicht blond.
    »Du meinst?«, fragte er.
    Neundorf nickte.
    »Aber warum hat sie dann seine Gesichtsmasken zurückgelassen?«
    »Nicht alle. Sie hat garantiert genügend. Die hier sind Ersatzstücke, schätze ich mal.« Sie zeigte auf den Zeitungsartikel, griff zu ihrem Handy, gab eine Nummer ein.
    Braig las, brauchte nicht lange, um zu begreifen. Der Artikel handelte von einem Treffen in Stuttgart am Donnerstag, dem sechsten Juli, an dem mehrere Medienvertreter, darunter auch rot unterstrichen – Hermann Temp, der Besitzer mehrerer Privatsender, teilnehmen sollten.
    Donnerstag, sechster Juli, überlegte Braig. Heute.
    »Guten Tag, ich rufe in einer dringenden Sache an. Bitte geben Sie mir den Arzt, Dr. Heller, persönlich«, rief Neundorf ins Handy.
    Braig sah, dass die Veranstaltung in Stuttgart um 14 Uhr beginnen sollte.
    »Es ist dringend, ja, verdammt nochmal«, schimpfte Neundorf.
    Braig schaute auf seine Uhr, sah, dass es kurz nach 12 war. Er griff sich den Ordner, fand keine weiteren Hinweise auf Stuttgart. Keinen Stadtplan, keine Notizen, nichts. Nur den Zeitungsartikel mit den Veranstaltungshinweisen.
    »Hier ist Neundorf vom Landeskriminalamt«, hörte er seine Kollegin am Handy, »Herr Dr. Heller, mir geht es um Ihre Patientin Bianca Eitle. Ja, ich weiß, dass sie verschwunden ist, deshalb rufe ich an. Nein. Bitte?« Sie schwieg einen Moment, trommelte mit den Händen auf die Tischplatte. »Bitte, was ich dringend wissen muss: Wie sieht es mit dem Gesundheitszustand Frau Eitles aus? Ja, ja, ja!« Neundorfs Stimme wurde lauter. »Ihre ärztliche Schweigepflicht in Ehren, sehr geehrter Herr Doktor, aber ich ermittle hier in einem problematischen Fall, in dem es um mehr geht als nur ...« Sie schwieg, stampfte vor Wut mit dem Fuß auf den Boden. »Sie sollen mir jetzt keine ausführliche Expertise vorlegen, dafür haben wir gar keine Zeit, ich will nur wissen, ist Frau Eitle schwerer erkrankt oder nicht?«
    Neundorf schwieg einen Moment, lauschte der Antwort des Arztes, fuhr plötzlich zusammen. »Oh nein«, sagte sie dann, schaute betroffen auf den Boden.
    Braig hörte, wie sie sich bei dem Mann für seine Auskunft bedankte. Sie steckte ihr Handy weg, sah sich apathisch um.
    »Temp«, erinnerte Braig.
    Neundorf reagierte nicht.
    »Sie sieht ihn als schuldig an, weil die gewaltverherrlichenden Filme, die Stecher zu seinem Wahnsinn verführten, in seinen Sendern laufen.«
    Sie sah ihn mit abwesenden Augen an, gab keine Antwort.
    »Wir müssen uns beeilen«, drängte Braig.
    »Wie bitte?« Neundorf fuhr sich über ihr Gesicht, stöhnte leise auf.
    »Dir geht es nicht gut?«, fragte er.
    »Beschissen«, sagte sie.
    Braig sah auf seine Uhr.
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