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Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf
Autoren: Klaus Wanninger
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zurück, seinem Wagen zu. Er hatte ihn fast erreicht, als er das Auto erneut hinter sich hörte. Wieder kam das Fahrzeug mit Karacho den Berg hoch, wieder rettete ihn nur der Sprung in den Weinberg. Der ist wahnsinnig, der Kerl, überlegte er, richtete sich auf, sah seinen Wagen auf der anderen Straßenseite. Er hatte keine Chance, ihn zu erreichen, hörte den aufheulenden Motor von oben nahen. Meck duckte sich in den Schutz der Reben, sah das Fahrzeug an sich vorbeirasen. Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte er die Silhouette des Fahrers. Das war nicht Bohnwald! Es war überhaupt kein Mann. Gänsehaut überzog seinen Rücken, als ihm bewusst wurde, wer da hinter dem Steuer saß. Eine Frau. Catherine Heimpold.
    Er hörte, wie das Auto weiter unten stoppte, rannte nach oben, den ersten Häusern zu. Es handelte sich um ein weitläufiges, von einem hohen Zaun abgeschirmtes Gelände mit einem großen, von einer dunklen Holzfassade umgebenen Haus. Holgenburg war auf einem Schild zu lesen. Meck überlegte schon, auf die Klingel zu drücken, um Hilfe zu holen, als er hinter sich erneut den Motor aufheulen hörte. Er rannte weiter, dem Hellerweg folgend, sah den schmalen Weg nach rechts abzweigen. J.F. Schreiber-Weg kündete die breite Schrift. Es war seine einzige Chance. Der Wagen raste hinter ihm her, hatte ihn fast erreicht, als er sich nach rechts in die Büsche warf.
    Der Weg war beängstigend schmal, höchstens einen Meter breit, auf beiden Seiten von hohen, mindestens 2,50 Meter in den Himmel ragenden Zäunen und dichter Vegetation umgeben, von teilweise schon dicht belaubten Bäumen überragt. Meck rannte ihn entlang, bis er nach etwa fünfzig Metern scharf nach links abbog, genauso schmal, ebenfalls von hohen Zäunen, Büschen und Bäumen begrenzt.
    Er blieb stehen, bekam keine Luft mehr, zog sein Handy vor. Polizei, 110. Er lauschte nach hinten, stolperte langsam weiter, hatte Mühe zu erkennen, wohin der Weg führte, weil es bereits dämmerte und die dichte Vegetation Schatten warf. Als sich der Beamte meldete, schilderte er seine Not, verlangte sofortige Hilfe, nannte Neundorfs Namen. Er beendete das Gespräch, starrte in beide Richtungen, spitzte seine Ohren. Vor dem Auto war er hier absolut sicher, wahrscheinlich sogar vor einem Motorrad. Was aber, wenn die Frau sich mit einer Waffe näherte? Sie war wahnsinnig, hatte es bewusst auf ihn abgesehen, daran gab es keine Zweifel, nach dem, was er eben erlebt hatte – wie aber konnte er sich vor ihr in Sicherheit bringen? Er wusste nicht, wohin der schmale Weg führte, ob sie nicht am anderen Ende auf ihn lauerte, fühlte sich wie in einer Falle.
    Ein Vogel flog laut schreiend in die Höhe, als er ein paar Schritte weiterlief, irgendwo in der Ferne bellte ein Hund, sonst war alles ruhig. Meck wusste nicht, was tun. Der Weg war jetzt nicht mehr asphaltiert, sondern mit Pflastersteinen ausgelegt; rechts führte ein hohes, von mächtigen Betonpfosten gesäumtes Tor zu einem weiträumigen Anwesen. Er blieb stehen, drückte auf die Glocke, wartete. Nichts. In dem Moment läutete sein Mobiltelefon. Er nahm das Gespräch an, hatte eine bekannte Stimme am Ohr.
    »Neundorf hier«, meldete sie sich, »anscheinend ist es mir heute ausnahmsweise erlaubt, Sie telefonisch zu belästigen.«
    Er ging nicht auf ihre Bemerkung ein, hörte die Schritte hinter sich. Die Zäune waren zu hoch, die Vegetation zu dicht, nur die Umrisse einer sich nähernden Person zu erkennen.
    »Hilfe, Hilfe«, rief er laut, »die bringt mich um.« Er rannte los, folgte dem schmalen Weg, rutschte auf den Pflastersteinen hin und her.
    »Wo sind Sie?«, hörte er die Stimme der Kommissarin.
    Er spurtete weiter, nahm die Ecke in vollem Lauf, merkte zu spät, dass der Weg in eine abwärts führende Treppe überging. »Schreiberweg«, schrie er, verlor den Halt, knallte auf die Stufen. Sein Handy flog in weitem Bogen davon, landete auf dem harten Untergrund, zerschellte.
    Meck spürte einen stechenden Schmerz, versuchte, sich aufzurappeln. Es ging nicht, so sehr er sich auch bemühte. In diesem Moment bog die Gestalt um die Ecke. Meck spürte sein Herz wild schlagen, Ströme von Schweiß rannen ihm aus den Achseln. Es ist vorbei, ahnte er, aus und vorbei.

34. Kapitel
    Vernehmung von Heimpold, Catherine, durch Kriminalhauptkommissarin Neundorf im Beisein des Leitenden Oberstaatsanwaltes Koch und des juristischen Beistands Frau Heimpolds, Rechtsanwalt Dr. Luitle, am 24.5.2006 in Stuttgart. Uhrzeit
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