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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall
Autoren: Ross Thomas
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überläßt mir das Ganze, Pick.«
    »Ich soll alles vertrauensvoll dir überlassen.« Dill ließ es nicht wie eine Frage klingen.
    Spivey nickte. »Du kannst mir vertrauen.«
    »Es ist nur so, ich traue niemandem, Jake.«
    »Das kann sehr einsam werden«, sagte Spivey und setzte gerade an, weiterzusprechen, als von der Wohnzimmertür her ein Klopfen zu vernehmen war. Dill schaute auf seine Uhr. Es war genau zweiundzwanzig Uhr. Spivey erhob sich und sagte: »Warum läßt du den alten Clyde nicht rein?«
    Dill ging zur Tür und machte auf. Draußen im Flur stand mit amüsiertem Lächeln Clyde Brattle. Er trug einen austernfarbenen Regenmantel, einen dazu passenden Wetterhut und einen tropfnassen Regenschirm. Dill dachte wieder, daß Brattle mehr denn je einem lange verschollenen römischen Konsul ähnlich sah. Vielleicht lag es an der Art, in der er sorglos den Regenmantel über seine Schultern drapiert hatte. Nur wenige konnten einen Mantel so tragen, ohne lächerlich auszusehen. Dill fand, daß Brattle keine Spur lächerlich wirkte. Er machte auf ihn eher den Eindruck eines noblen Patriziers, den ein neidisches Schicksal unter die Wucherer verschlagen hatte und der entschlossen war, das Beste daraus zu machen.
    »Kommen Sie rein«, sagte Dill.
    Brattle betrat das Zimmer, und kaum, daß er die ersten Schritte gemacht hatte, kam Spivey hinter der geöffneten Tür hervor und rammte Brattle eine Automatik zwischen die Schulterblätter. Brattle lächelte und blieb stehen. »Ah ja, Jake, wie nett, dich mal wieder zu treffen.«
    »Geh rüber zu diesem hübschen Bild da, Clyde«, sagte Spivey.
    Brattle schaute sich um. »Du meinst den Parrish?«
    »Der, wo diese beiden Hosenscheißer drauf sind.«
    »Ich dachte eigentlich, daß die beiden Mädchen sind«, sagte Brattle, ging zur Wand und lehnte sich mit beiden Händen dagegen, wobei er den Regenschirm noch immer in seiner rechten behielt.
    »Nimm ihm den Mantel, den Hut und den Schirm ab, Pick«, sagte Spivey. »Langsam und vorsichtig. Wenn du alles hast, geh hinüber und schmeiß es in den Wandschrank.«
    Dill tat, was Spivey ihm gesagt hatte, baute sich dann wieder neben ihm auf und fragte: »Und was jetzt?«
    »Jetzt taste ihn ganz sorgfältig ab. An den Fußknöcheln, am Sack, überall. Am besten lassen wir ihn sogar sein Maul aufreißen und gucken rein.«
    Brattle schüttelte den Kopf und seufzte. »Manchmal bist du wirklich ein richtig ungehobelter Bauer, Jake.«
    »Schlechte Manieren garantieren ein langes Leben, Clyde.«
    »Gott, sogar ein Aphorismus. Na ja, jedenfalls beinahe.«
    Als er Brattles Hüftgelenk abtastete, fand Dill die kleine Walther Automatik. Die Pistole in einem ledernen Halfter, das am Bund von Brattles gürtellosen Hosen festgemacht war. Der würde nie einen Gürtel tragen, dachte Dill, während er die Waffe in Augenschein nahm. Vielleicht Hosenträger zu einem dreiteiligen Anzug, aber niemals einen Gürtel.
    »Den nehm ich«, sagte Spivey. Dill reichte ihm die Walther. Spivey ließ sie in seiner linken Jackentasche verschwinden.
    »Du kannst dich jetzt aufrichten und umdrehen, Clyde«, sagte Spivey. »Nimm dir einen Stuhl. Der da drüben sieht ganz bequem aus. Pick kann dir sogar einen Drink holen. Ich weiß, daß Wodka da ist, aber ich hab keine Ahnung, was sonst noch da ist.«
    »Wodka wäre gerade richtig«, sagte Brattle, indem er sich aufrichtete, zu dem Lehnstuhl hinüberging und sich hinsetzte. Spivey machte es sich wieder auf der Couch bequem. Seine eigene Automatik legte er auf den Couchtisch neben den Sony-Recorder. Dill bemerkte, daß es ein 38er Colt Automatik war.
    »On the rocks?« fragte Dill.
    Brattle lächelte. »Hervorragend.«
    Während er in der Küche den Drink eingoß, konnte Dill aus dem Wohnzimmer keine Stimmen hören. Als er mit Brattles Drink zurückkam, war ihm so, als wäre es ein Schweigen zwischen sehr, sehr alten Freunden, denen seit langem schon keine Themen von gemeinsamem Interesse einfielen und deren einzige Gemeinsamkeit nur noch in einer lähmenden Vertrautheit bestand.
    Brattle setzte sein Glas an die Lippen, nippte fast geziert, setzte es ab und sagte: »Nun, der Regen war doch höchst willkommen, nicht wahr?«
    »Clyde«, sagte Spivey.
    Brattle wandte den Kopf nur um wenige Bruchteile Spivey zu. »Ja?«
    »Wir werden heute ein Geschäft abschließen, du und ich, doch erst mal mußt du dir etwas anhören.«
    »Etwas Interessantes?«
    »Ich denke schon«, sagte Spivey und drückte die Starttaste des
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