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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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Triumphgefühl. Stattdessen breitete sich eine lähmende Erschöpfung in ihm aus, wie er sie lange nicht gespürt hatte.
    Rösler ließ sich in seinen Sessel sinken. Mit zitternder Hand wies er auf das Waschbecken: »Würden Sie mir ein Glas Wasser bringen?«, bat er mit brüchiger Stimme. Kluftinger tat ihm den Gefallen. Rösler wirkte schwach. Er trank das Glas in langen Schlucken leer. Dann stellte er es sorgfältig vor sich auf den Tisch, faltete die Hände in seinem Schoß, blickte zu Kluftinger und sagte: »In Ihnen habe ich wohl meinen Meister gefunden. Ist Ihnen klar, dass man mich noch nie auf frischer Tat erwischt hat? Mir nie nachweisen konnte, wie ich einen Bruch begangen habe? Wenn ich überführt worden bin, dann erst, wenn es ums Losschlagen der Beute ging.«
    »Soll ich darauf jetzt stolz sein oder was?«
    Rösler wirkte abwesend. »Wie sind Sie draufgekommen?«
    »Dass noch jemand anderes im Spiel war, war klar, nachdem wir Ihren … Komplizen gefunden hatten. Sie haben ihn gekauft, damit er den Schutzpatron hintergeht, oder? Er wird übrigens durchkommen.«
    Rösler nickte erleichtert.
    »Und als ich da stand, inmitten dieses stinkenden Müllbergs, da war mir plötzlich klar, dass nur Sie es gewesen sein konnten. Wieder einmal. Ich wusste nur nicht, wie. Bis Sie mit Ihrem Wägelchen hier rausmarschieren wollten. Genauso unschuldig, wie Sie vorhin, in all dem Aufruhr und all der Hektik, unbehelligt das Museum verlassen haben. Respekt, Herr Rösler, Sie haben die anderen die Arbeit machen lassen und selbst die Früchte geerntet. Haben Sie selbst die Replik aus meinem Auto geklaut?«
    Wieder nickte der alte Mann.
    »Dachte ich mir. So ein Smart ist für jemanden wie Sie wohl kein ernst zu nehmendes Hindernis, oder?«
    Rösler schüttelte den Kopf. »Die Heckklappe war nicht abgesperrt.«
    Kluftinger lief rot an. »Der Rest ist ziemlich genial, das muss ich sagen. Der Schwächeanfall, der dafür gesorgt hat, dass Sie abtransportiert wurden, Ihr Rollator samt der falschen Monstranz aber im Museum zurückblieb. Die Ihr Komplize dann gegen die echte ausgetauscht hat. Und Sie mussten Ihre Gehhilfe nur nehmen und rausschieben. Wahrscheinlich hat Ihnen noch jemand die Tür aufgehalten. Wer achtet schon darauf, ob ein gebrechlicher Mann mit einem Stock oder einem Gehwägelchen unterwegs ist? Hut ab, wirklich. Und wie haben Sie das mit dem Sender gemacht? Ich meine: Warum hat er keine Signale gegeben?«
    »Bleiverkleidung«, sagte Rösler lediglich.
    Kluftinger sah sich nach einer Sitzgelegenheit um und ließ sich dann auf einem der beiden Betten nieder. Lange saßen sie so da und schwiegen. Nur das Gurgeln von Röslers schlafendem Zimmergenossen war zu hören.
    Dann stellte Kluftinger die Frage, die ihn umtrieb, seitdem er sich in der Müllverbrennungsanlage ins Auto gesetzt hatte. »Hab ich Sie eigentlich erst drauf gebracht?«
    Sein Gegenüber sah ihn lange an, dann erwiderte er: »Was würden Sie denn gerne als Antwort hören?«
    Kluftinger lächelte. Rösler hatte recht. Was wollte er hören? Änderte die Antwort denn etwas? Er stellte eine andere Frage: »Warum, Herr Rösler? Was bringt Ihnen die ganze Sache denn? Ich meine, Sie sind doch schwer krank, Sie haben …« Er stockte.
    »… nicht mehr lange, sprechen Sie es ruhig aus. Ich weiß das und mache mir selber nichts vor. Da haben Sie schon einen der Gründe. Wissen Sie, man kommt ins Nachdenken, wenn man so kurz vor dem Ende steht. Alles erscheint plötzlich in einem anderen Licht. Vorher war ich mit mir im Reinen – dachte ich jedenfalls. Und dann diese Krankheit. Ich hab mir auf einmal vor Augen gehalten, was ich anderen Menschen alles angetan habe. Den Opfern meiner Verbrechen. Sicher, ich habe nie jemanden umgebracht oder ernsthaft verletzt. Jedenfalls körperlich. Aber was ist mit den seelischen Wunden? Sitzen die nicht viel tiefer? Wie lange haben die Leute kein Auge mehr zugetan, weil sie dachten, der Einbrecher würde wieder in der Nacht unbemerkt in ihrem Haus herumschleichen, würde ihnen diesmal aber vielleicht an die Kehle gehen? Haben bei jedem Knacken gedacht, jemand stehe hinter ihrer Tür? Ich hab vielen große Angst eingejagt. Solche Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen. Und da habe ich gedacht, ich müsste etwas gutmachen. Indirekt habe ich das Unglück mit der alten Frau neulich ja mitverschuldet.«
    »Soll das heißen, dass Sie früher …«
    »Ja, ich war einst der Schutzpatron. Dass ich diesen Namen an einen so
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