Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
Vom Netzwerk:
natürlich dasselbe wie noch vor zwei Wochen, doch es kam ihm anders vor. Zu viel war seit seinem ersten Besuch hier passiert. Und es sah auch ein wenig anders aus. Zwar saß in dem einen Sessel wieder der alte Mann und schlief, aber auf dem Tisch stand diesmal ein Koffer, der bereits halb gepackt war. Von dort aus starrte ihn ein überraschter Heinz Rösler wortlos an.
    »Herr Rösler, Sie sind auf dem Sprung, wie ich sehe«, presste Kluftinger keuchend hervor.
    Der alte Mann räusperte sich. »Sie auch, scheint es, Herr Kommissar.«
    »Ja, ich hatte es ziemlich eilig, zu Ihnen zu kommen.«
    »Das sehe ich. Hätten Sie noch irgendwas von mir gebraucht?«
    »Allerdings.«
    »Es tut mir leid, Herr Kommissar. Ich war wohl keine große Hilfe für Sie.«
    »Nein, das kann man wirklich nicht behaupten.« Kluftinger verzog die Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln.
    »Wie Sie sehen, pressiert es ein bisschen. Ich verreise zu meinem … Neffen. Wenn Sie also noch eine Frage haben, dann stellen Sie sie doch bitte gleich.«
    »Ja, ich habe noch eine Frage. Ganz einfach und ganz kurz: Würden Sie bitte die Monstranz herausgeben?«
    Röslers Gesicht verlor seinen freundlichen Ausdruck. Mit versteinerter Miene blickte er Kluftinger an. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte er leise.
    Kluftingers Kiefermuskeln begannen zu arbeiten. Er war schweißgebadet, sein Puls raste. Der Alte wollte ihn offenbar immer noch für dumm verkaufen. Er hatte ihm vertraut, doch Rösler hatte ihm das auf ganz spezielle Art gedankt. »Hören Sie jetzt endlich auf mit dem Schmarrn! Ist Ihnen nicht klar, dass der Schutzpatron auch weiß, wo er Sie findet? Der wird nicht so verständnisvoll wie ich sein. Es reicht, meine Geduld ist am Ende, was Sie betrifft. Ich lass mich nicht gern verarschen.«
    Jetzt lächelte sein Gegenüber wieder. »Was soll das, Herr Kluftinger? Meinen Sie etwa, ich hätte Sie reingelegt? Wie hätte ich das machen sollen? Meinen Sie, ich war es, der nachts da eingestiegen ist, die ganzen Sicherheitseinrichtungen überwunden hat und sich dann wieder aus dem Staub gemacht hat? Schauen Sie mich doch an.« Er zeigte auf seinen Stock.
    »Nein, das ist mir schon klar, dass es nicht so abgelaufen ist. Sie hatten einen Mitstreiter, doch der ist nicht weit gekommen. Wir haben ihn gefunden. Aufs Übelste zugerichtet. Die anderen haben sich um ihn gekümmert. Verräter sind nicht sehr beliebt in der Verbrecherwelt, wie es scheint.«
    Er hielt inne und sah Rösler prüfend an, doch der verzog keine Miene. »Wie Sie’s gemacht haben, weiß ich noch nicht genau, aber dass Sie es waren, da bin ich mir sicher. Das mit dem Müllwagen war ein nettes Ablenkungsmanöver, aber als mir klar wurde, dass er hier vorhin die Tonnen geleert hat, ist mir ein Licht aufgegangen.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Himmelherrgott, jetzt behandeln Sie mich nicht wie einen Deppen!«, entfuhr es dem Kommissar.
    Ein paar Sekunden taxierten Sie einander, dann sagte Rösler: »Wissen Sie was? Es gibt ja wohl nur diese eine Möglichkeit, Sie zu überzeugen: Durchsuchen Sie mein Zimmer, Sie brauchen nicht mal einen richterlichen Beschluss. Ich erlaub’s Ihnen. Schauen Sie nach, wo Sie wollen. Ich gehe mir inzwischen einen Tee holen.«
    Mit diesen Worten nahm er sich eine schmutzige Tasse vom Tisch, stellte sie auf sein Gehwägelchen und schlurfte damit auf die Tür zu.
    In diesem Moment fiel bei Kluftinger der Groschen. Auf einmal sah er vor seinem geistigen Auge, wie der Coup abgelaufen sein musste, angefangen am Tag vor der Eröffnung bis zu der verhängnisvollen Enthüllung der Monstranz. Er stand ein paar Sekunden wie erstarrt da, während die Bilder auf ihn einströmten, doch das Geräusch der Zimmertür, die Rösler gerade öffnete, brachte ihn wieder zurück ins Hier und Jetzt.
    »Herr Rösler, warten Sie doch noch einen Moment«, sagte er.
    Der Alte blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um.
    »Sie scheinen mir heut gar nicht so schlecht beieinander. Wollen Sie nicht lieber nur Ihren Stock nehmen?«
    Langsam drehte Rösler sich um. Aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. »Touché«, war alles, was er herausbrachte. Er schloss die Tür wieder und kam zurück ins Zimmer.
    »Ich darf doch?«, sagte Kluftinger, drängte ihn vom Rollator weg, bückte sich und öffnete die Klappe der kleinen Kiste, die an der Gehhilfe befestigt war. Als er hineinblickte und die Monstranz darin funkeln sah, spürte er zu seiner eigenen Überraschung kein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher