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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie
Autoren: M Bomm
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werde ich bekannt geben, was zu sagen ist.« Seine Stimme klang energisch.
    Meckenbach legte die Beine übereinander und
blickte durch die große Fensterfront zu den wolkenverhangenen Bergen der Schwäbischen
Alb hinüber. Der Firmenkomplex befand sich in einem dieser Gewerbeparks, wie sie
in den vergangenen Jahren überall im Großraum Göppingen entstanden waren, sozusagen
vor den Toren Stuttgarts, rund 40 Kilometer von der baden-württembergischen Landeshauptstadt
entfernt.
    »Wenn ich mir den Hinweis erlauben darf«, begann
Ute Siller irritiert, ohne aber den festen Klang in ihrer Stimme zu verlieren, »noch
bestünde keine Notwendigkeit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich meine, die Sache
wird erst in eineinhalb Jahren spruchreif.«
    Nullenbruch schaute sie finster an, doch sie
hielt seinen Blicken stand, wie immer. »Ich will nicht, dass es Gerüchte gibt«,
sagte er, »Sie kennen die Stammtischparolen, das Hetzgeschwätz der Gewerkschaftsfunktionäre
und dieser Betriebsräte. Sie kennen das«, wiederholte er scharf, »ich hab mich entschlossen
– und jetzt werden Zeichen gesetzt.« Auf Nullenbruchs hoher Stirn begannen sich
Schweißperlen zu bilden. Im Raum war es stickig.
    Meckenbach spielte mit einem goldbesetzten
Füllfederhalter. »Die Medien werden natürlich auch Fragen stellen«, warf er ruhig
und sachlich ein. Sofort traf ihn ein missbilligender Blick des Geschäftsführers.
»Natürlich werden sie das«, erwiderte er leicht gereizt, »aber Sie werden doch nicht
glauben, verehrter Herr Meckenbach, dass Unternehmensentscheidungen von den Medien
beeinflusst werden? Ich bitte Sie, wie lange sind Sie jetzt im Geschäft?« Die Frage
war eher rhetorischer Natur. »Nein«, meinte er und lehnte sich in seinem Sessel
zurück, »wer ein Unternehmen führt, darf sich nicht von populistischen Kommentaren
beeinflussen lassen. Weder von den Medien, noch von der Politik, falls es so etwas
wie verlässliche Politik in dieser Republik überhaupt noch gibt.« Seine Stimme hatte
einen verächtlichen Unterton angenommen.
    »Die Auswirkungen auf unsere Auftraggeber sollten
wir auch bedenken …«, machte Meckenbach
vorsichtig weiter und musste sofort erkennen, dass der Geschäftsführer darüber wenig
erbaut war.
    »Denen haben wir doch zu einem Großteil unsere
heutige Misere zu verdanken«, sagte er schnell, »Kostensenkungen jahrein, jahraus,
das wissen Sie doch. Um jeden Cent wird gerungen. Hier billiger, da billiger – und
wenn wir nicht mithalten, mein Gott, das wissen Sie doch«, er schaute seine beiden
Gesprächspartner vorwurfsvoll an, »dann drohen sie mit den Billigbuden im Südosten.
Und dann?« Er holte tief Luft. »Dann wird von uns allen hier nichts mehr übrig bleiben.
Nichts mehr.«
    Die Finanzverwalterin wusste, dass Nullenbruch
in seiner Entscheidung nicht mehr umzustimmen war. Dennoch wagte auch sie einen
Einwand: »Ich gebe Ihnen natürlich Recht, aber wir, die wir uns in der Betriebswirtschaft
auszukennen glauben, müssen doch mit gewisser Sorge die Entwicklung verfolgen. Wer
soll denn hierzulande eines Tages die billig im Ausland produzierten Waren noch
kaufen – wenn die Menschen hier zuhauf arbeitslos sind?«
    Nullenbruch winkte verärgert ab. »Bitte Frau
Siller«, schüttelte er geradezu angewidert den Kopf, »wir sind hier bei keiner Gewerkschafterkonferenz!
Alles, was Sie hier einwenden, haben nicht wir, die Unternehmer, zu verantworten,
sondern diese Regierung in Berlin. Aber nicht erst seit diese Rot-Grünen ihr Unwesen
treiben, nein, die Wurzel für dieses Übel liegt tief, sehr tief. Und das Schlimmste
ist, meine Herrschaften, dass es keinerlei Aussicht auf Änderung gibt. Egal, wer
in Berlin das Sagen hat, es geht nur um Macht und Geld, um Einfluss und Schönreden.«
Nullenbruch sah, dass Meckenbach Anstalten machte, etwas einzuwenden. Um dies zu
verhindern, sprach er schnell weiter: »Manche in diesem Lande predigen in ihren
Sonntagsreden davon, wie wichtig es sei, dies und jenes zu veranlassen, weil sonst
der Karren an die Wand fahre. Doch diese Traumtänzer haben noch gar nicht bemerkt,
dass der Karren bereits in Trümmern vor der Wand liegt. Weil er ungebremst, ja sogar
noch bewusst mit Vollgas, dagegen gekracht ist. Und zwar bereits gestern.«
    Meckenbach wollte nun nichts mehr sagen. Er
war insgeheim froh, dass in diesem Moment das Telefon auf dem Glastischchen summte.
Nullenbruch nahm ab und meldete sich nur mit einem kurzen »Ja?«
    Er lauschte und gab seinen beiden
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