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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
Autoren: Jens Schumacher
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Glaziologen gestoßen war. Diese Forscher waren bei der Entnahme von Eisproben in der Antarktis überraschend auf Grundgestein gestoßen. Bei der folgenden Untersuchung hatten sie darin uralte Markierungen entdeckt, bei denen es sich möglicherweise um Schriftzeichen handelte – ein gefundenes Fressen für jeden Erforscher vergangener Kulturen. Dr. Wilkins hatte sich in Rekordzeit von allen Verpflichtungen an der Uni freigemacht, ein zwölfköpfiges Team aus Wissenschaftlern und Technikern zusammengetrommelt und war mit der nächsten verfügbaren Maschine gen Süden geflogen …
    Henry wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen, als das Flugzeug abrupt in die Tiefe sackte. Die Propellermotoren heulten widerwillig auf und nur mühsam gewann die LC-130 wieder an Höhe. Die schwere Maschine bockte erneut wie ein Esel, der seinen Reiter abzuwerfen versucht, dann stabilisierte sich der Flug einigermaßen.
    Als er sicher war, dass keine Turbulenzen mehr folgen würden, ließ Henry das rote Kunststoffnetz los, an dem er sich aus Reflex festgeklammert hatte. Er bückte sich und hob das Buch vom Boden auf, das dem Professor bei dem ruppigen Flugmanöver heruntergefallen war.
    »Ach du grüne Neune! Danke, Henry.«
    Hilmar Albrecht wirkte plötzlich auffallend blass um die Nase. Henry lächelte dem kleinen Archäologen aufmunternd zu, bevor seine Gedanken wieder zu seinem Vater zurückwanderten.
    In den ersten Tagen nach seiner Abreise hatte Donald Wilkins noch ab und an E-Mails in die Heimat gesendet. Trotz des stichwortartigen Stils sprühten die kurzen Botschaften nur so vor Begeisterung – die fanatische Neugier des Forschers, der etwas bislang Unbekanntes zu entdecken hofft.
    Die letzte Mail lag mittlerweile über drei Wochen zurück. Henry machte sich wegen der Funkstille allerdings keine Sorgen. Er kannte seinen Vater: Wenn Donald Wilkins etwas Aufsehenerregendes in der Mache hatte, vergaß er mit schöner Regelmäßigkeit die Welt um sich herum. Er meldete sich erst zurück, wenn er, schwer bepackt mit Proben, Fotos und Aufzeichnungen, wieder am Flughafen von Toronto stand.
    Henry kam mit dieser Marotte seines Vaters gut zurecht. Seine Mutter dagegen, Amber Wilkins, hatte die Ungewissheiten, die der Beruf ihres Mannes mit sich brachte, stets gehasst. Ein ums andere Mal hatte sie ihn gebeten, seine Reiseaktivitäten zu reduzieren und mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Schließlich hatte Henrys Vater eingewilligt. Er sagte eine Exkursion nach Mexiko ab und brach stattdessen mit seiner Frau zu einem Segelurlaub auf dem Lake Ontario auf.
    Der Rest war traurige Geschichte.
    Ein paar Monate nach ihrem tödlichen Unfall war Henry nach Collingwood gezogen, in ein Internat zwei Autostunden von Toronto entfernt. Es war seine eigene Entscheidung. Er wollte nicht länger in seinem Elternhaus bleiben, wo ihn alles an seine Mutter erinnerte. Darüber hinaus war ihm klar, dass sein Vater als Alleinerziehender die ständigen Reisen würde aufgeben müssen. Dafür wollte er nicht verantwortlich sein.
    Nach anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten gefiel es ihm in Collingwood immer besser. Neben der Schule spielte er Basketball, war Mitglied im Fechtverein, ging viermal in der Woche schwimmen und leitete einen Informatikkurs für jüngere Schüler. Darüber hinaus fuhr er seit dem letzten Sommer jedes zweite Wochenende die Küste des Lake Huron hinauf und nahm Paragliding-Unterricht. Bei einem derart vollen Programm kam es nicht selten vor, dass ihm das Ausbleiben von Mails seines Vaters erst auffiel, wenn dieser lachend am Telefon verkündete, er sei längst wieder zurück.
    Donald Wilkins konnte gut auf sich selbst aufpassen. Drei Wochen ohne Nachricht von ihm waren kein Grund, sich Sorgen zu machen.
    Unvermittelt heulten die Motoren des Flugzeugs von Neuem auf. Die LC-130 wurde nach rechts geschleudert, als wäre sie von einer riesigen Faust getroffen worden. Professor Albrecht klammerte sich stöhnend am Gepäcknetz der gegenüberliegenden Sitzbank fest.
    In diesem Moment rief eine weibliche Stimme irgendwo rechts von Henry: »Die Turbulenzen dürften erst der Anfang sein. Ganz schön hirnverbrannte Idee, mitten in den antarktischen Winter hineinzufliegen, findest du nicht auch, Henry?«
    Ein Haufen zum Bersten gefüllter Rucksäcke und Taschen geriet in Bewegung, dann kam dahinter der Kopf von Dr. Eileen Cavanaugh zum Vorschein. Die dunkelhaarige Wissenschaftlerin grinste. »Aber wenn deinen Vater die Neugier packt, ist er
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