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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
Autoren: Jens Schumacher
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den Weißhaarigen. »Aber wieso mussten wir mit dem Zugriff so lange warten? Wir hätten die Wilden gleich zu Beginn ihrer verfluchten Trommelei hochnehmen können. Oder sogar noch früher, als sie sich von ihrem dreckigen Dorf auf den Weg hierher gemacht haben.«
    Der Mann im Rollstuhl bedachte ihn mit einem nachsichtigen Blick. »Wir haben bis zuletzt gewartet, weil das Objekt noch nicht vor Ort war.« Er wies auf Mr Isidro, der mit der gewissenhaft verschlossenen Tasche die Stufen des Podests wieder hinabstieg. »Der uralte Ritus sieht vor, dass der Schamane das Götzenbild erst kurz vor dem Höhepunkt der Zeremonie aus einem geheimen Versteck holt und zur Kultstätte bringt. Dieses Versteck kann Meilen von der Siedlung seines Stammes entfernt liegen. Auf eigene Faust hätten wir es nie gefunden.« Mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung deutete er auf den Leichnam des Mannes mit der Seesternmaske. »Und diese Wilden hätten sich eher zu Tode foltern lassen, als uns zu verraten, wo es sich befindet.«
    Fulton stieß ein verächtliches Schnauben aus und fischte eine halb gerauchte Zigarre aus seiner Brusttasche. Während er sie anzündete, glotzte er die Tasche in Mr Isidros Arm neugierig an. »Ganz schön viel Aufwand für so eine gammelige Steinfigur.« Er stieß eine Rauchwolke aus, die mehrere Sekunden unbeweglich in der stickigen Luft des Urwalds stehen blieb. »Ich wüsste zu gern …«
    In der Ferne ertönte das Startgeräusch eines großen Helikopters. Der Weißhaarige bewegte ein weiteres Mal kaum merklich die Hand, worauf Mr Isidro zum Rand der Lichtung marschierte und Anstalten machte, zwischen den Farnbüschen zu verschwinden. Als er die Zweige beiseitebog, schnellte vor ihm unvermittelt der schlanke grüne Kopf eines Baumpythons herab. Mehrere Herzschläge lang surrten Reptil und Asiat einander in die Augen. Die gespaltene Zunge des Pythons schnellte aus seinem geschuppten Maul – einmal, zweimal …
    Und dann, nicht einmal einen Wimpernschlag später, baumelte nur noch der kopflose Leib einer toten Schlange aus dem Geäst.
    Ohne den zuckenden Kadaver eines weiteren Blickes zu würdigen, setzte sich Mr Isidro wieder in Bewegung. Mit einer routinierten Bewegung schob er das kleine, extrem scharfe Messer in sein Jackett zurück, das er im Bruchteil einer Sekunde gezückt hatte, und verschwand im Buschwerk, eine muntere japanische Weise vor sich hin pfeifend.
    »Sie wüssten zu gern – was?« Der Weißhaarige wandte sich mit der Andeutung eines Lächelns an Sergeant Fulton.
    Der Sergeant schluckte. »Ich, äh … also, diese ganze Operation hat Sie ein kleines Vermögen gekostet.« Er paffte nervös an seiner Zigarre. »Dieses mickrige Artefakt, also … ist es das tatsächlich wert?«
    Der Rollstuhlfahrer betrachtete versonnen einen goldenen Siegelring am Mittelfinger seiner rechten Hand. Ein zackiges S war ins Zentrum des Ovals eingraviert. »Wenn Sie damit meinen, ob mir irgendein Museum auf der Welt auch nur ein Zehntel dessen dafür zahlen würde, was ich für die Bergung dieses Götzenbildes investiert habe, so lautet die Antwort: nein.«
    »Aber wozu …«
    Die Augen des Mannes mit dem weißen Haar verengten sich, als er sein Gegenüber kalt fixierte. »Glauben Sie mir, Sergeant: Sie wollen nicht wissen, wozu ich dieses Artefakt benötige! Sie würden mir ohnehin nicht glauben, wenn ich es Ihnen verriete.«
    Damit wendete er seinen Rollstuhl, steuerte ihn über den unebenen Boden der Lichtung und verschwand im Grün des Dschungels.

1
     
    8000 METER ÜBER DEM SÜDLICHEN POLARKREIS,
    04. APRIL 2013
     
    Der Geräuschpegel im Innern des Flugzeugs war ungeheuer. Das Dröhnen der vier Propellermotoren drang so gut wie ungedämpft von den Tragflächen in den Innenraum, wo es von den unverkleideten Stahlwänden noch verstärkt wurde. Henry war in seinem Leben schon mit den verschiedensten Flugzeugtypen geflogen, von einmotorigen Cessnas bis hin zu der komfortablen Boeing 747, die ihn tags zuvor von Toronto nach Neuseeland gebracht hatte. So laut wie in dieser Maschine war es jedoch noch nie gewesen.
    Aber er war schließlich auch noch nie zuvor in die Antarktis geflogen.
    Henry spürte, wie sich ein vorfreudiges Kribbeln in seinem Magen breitmachte, als ihm das Ziel seiner Reise wieder bewusst wurde: er, Henry Wilkins, in der Antarktis – der kältesten, abgelegensten, der lebensfeindlichsten Region der Erde. Die ganze Sache war total verrückt. Doch das machte sie nur umso
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