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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
Autoren: Jens Schumacher
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merkwürdige Beschichtungen und ließ sich teilweise sogar aufblasen. Neben Jacken und Anoraks, die mit sonderbar knisterndem Material gefuttert waren, gab es gleich mehrere Garnituren Handschuhe, Bergstiefel, Schutzbrillen sowie Unterwäsche und Socken aus dickem, flauschigem Fleecestoff.
    Zu der Ausrüstung, die Professor Albrecht von Toronto vorbestellt hatte, gehörten weiterhin einige kompakt verschnürte Ballen aus gelbem Kunststoff mit der Aufschrift AlaskaTent sowie etliche Kisten, gefüllt mit Proviant und technischem Gerät. All das war zusammen mit einem halben Dutzend glänzender Aluminiumcontainer, die die wissenschaftlichen Apparate für Henrys Vater beinhalteten, in der riesigen Ladeklappe der LC-130 verstaut worden.
    »Ich, äh … bin irgendwie zurechtgekommen«, sagte Henry ausweichend und nahm ein Sandwich aus der Provianttüte, die Eileen ihm auffordernd hinhielt.
    Das war sehr optimistisch formuliert. Ohne die einstündige Einweisung einer engagierten IAC-Mitarbeiterin hätte Henry jetzt ganz gewiss nicht so ordentlich verschnürt hier gesessen, in insgesamt drei Schichten Polypropylen, zwei Schichten Fleece, winddichten Hosen, kunstfasergefutterten Handschuhen und luftisolierten Gletscherstiefeln. Rückblickend war er dem Mädchen ausgesprochen dankbar, denn in dem kaum geheizten Transportflugzeug hätte er sich andernfalls wahrscheinlich längst den Tod geholt.
    Auf der Brust des knallroten Parkas, den er darübertrug, klebte ein Klettstreifen mit seinem Namen. Außerdem hatte jeder Expeditionsteilnehmer vor dem Abflug eine Kette mit mehreren Metallplättchen erhalten, auf denen unverständliche Zahlenkolonnen sowie sein vollständiger Name eingestanzt waren. Als er sich die Kette um den Hals gehängt hatte, war Henry sich wie eine Figur aus einem Actionfilm vorgekommen. Erst später war ihm aufgefallen, dass solche Marken unter anderem der Identifizierung von Toten dienten.
    »Der Aufwand ist enorm«, sagte Eileen kauend. »Aber die vielen Vorkehrungen sind unumgänglich. Die Antarktis gilt nicht umsonst als die am schwierigsten zu erforschende Region der Erde. Kein Wunder, bei einer Durchschnittstemperatur von minus fünfzig Grad!«
    »Minuff fünfzig?«, wiederholte Henry mit vollem Mund.
    »Im Landesinnern. An der Küste, wo wir landen, ist es bedeutend milder. Aber die tiefste je gemessene Temperatur betrug minus neunundachtzig Grad Celsius, dokumentiert 1983 von einer russischen Forschungsstation.«
    Das Flugzeug um sie herum ratterte plötzlich los, als würde es über einen nicht enden wollenden Bahnübergang rollen. Professor Albrecht stieß ein gedämpftes Keuchen aus und warf Henry und Eileen einen verständnislosen Blick zu. »Sapperlot! Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie ihr unter diesen Bedingungen essen könnt!«
    Eileen zuckte mit den Schultern und zerknüllte das Papier ihres Muffins. »So kalt wird es dort, wo dein Dad auf uns wartet, hoffentlich nicht. Ich wünschte allerdings, die Norweger hätten ihre Entdeckung nicht ausgerechnet kurz vor Einbruch des Winters gemacht.«
    Wortlos schob sich Henry den Rest seines Sandwichs in den Mund. Zum ersten Mal seit Beginn seiner Reise fragte er sich, ob die Entscheidung, die drei Wissenschaftler zu begleiten, wirklich klug gewesen war. Vielleicht hätte er doch daheimbleiben und Mr Plisker beim Einrichten von WLANs und Mailprogrammen helfen sollen. Dabei konnte man wenigstens nicht erfrieren.
    »Keine Sorge«, fügte Eileen hinzu, als sie seine skeptische Miene bemerkte. »Professor Albrecht hat einen Spezialisten angeheuert, der uns vor Ort unterstützen wird: Boris Golitzin, ein russischer Wissenschaftler, der bereits seit über zwanzig Jahren in der Antarktis tätig ist.«
    In diesem Augenblick begann sich das Flugzeug zu schütteln, als prügelte ein Riese abwechselnd auf die rechte und linke Tragfläche ein. Ein Krachen ertönte, gefolgt von einem hässlichen Rauschen. Trotz seiner Erfahrung mit Luftfahrzeugen aller Art begann Henrys Herz schneller zu schlagen. Erst als eine näselnde Stimme in ohrenbetäubender Lautstärke zu sprechen begann, begriff er, dass der Lärm aus den uralten, trichterförmigen Blechlautsprechern an der Decke kam.
    »Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der gemütliche Teil des Flugs jetzt zu Ende ist, Herrschaften«, verkündete der Pilot. »Das Wetterradar zeigt vor uns heftige Aktivitäten, möglicherweise eine Sturmfront von Hurrikanstärke. Die Küste des antarktischen
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