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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter
Autoren: Amanda Cross
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Minuten. Willkommen im Theban. Für Sie ist es ein Wiedersehen, nicht wahr?«
    »Ich bin genauso aufgestanden. Hat jemals jemand darüber nachgedacht, was für eine Wirkung das auf einen unvorbereiteten Erwachsenen hat, der hereinkommt?«
    »Erst heutzutage, weil es so ungewöhnlich geworden ist. Vor zwanzig Jahren dagegen«, sagte Mrs. Copland und ging voraus, »wäre jeder Erwachsene, der nicht vom Geräusch sich ehrfurchtsvoll erhebender Jugendlicher begrüßt wurde, auf der Stelle ohnmächtig geworden und hätte mit Riechsalz, oder was sonst das Krankenzimmer zu bieten hatte, ins Leben zurückgeholt werden müssen. Wollen wir unsere Runde im obersten Stock beginnen? Ich weiß, Sie erinnern sich gewiß an alles, aber Miss Ty ringham meinte, eine kleine Auffrischung könnte nicht schaden. Unterwegs sollten wir die Problematik des Literaturunterrichts besprechen. Oh«, schloß sie, als sich die Fahrstuhltür öffnete, »zehnter Stock, bitte. Ich heiße Anne. Ich bin eigentlich nicht dafür, jeden gleich beim Vornamen zu nennen, habe aber festgestellt, daß es besser ist, die üblichen Stufen zu einer gewissen Vertrautheit zu überspringen, wenn man über Abschluß-Seminare und widerspenstige Jugendliche diskutieren will. Da wären wir.« Sie traten in die Aula, in deren hinterstem Winkel eine Gruppe entweder ein Stück probte oder eine Encountersitzung abhielt: Das war auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden.
    Die zehnte und zugleich oberste Etage des Theban bestand nur aus dieser riesigen Aula, die für alle Schülerinnen Platz bot. Das eine Ende nahm eine Bühne ein, die sich ausgezeichnet für die Aufführungen des Theban eignete, das – wie zu Zeiten Shakespeares und der Griechen – eher Gewicht auf Sprache und Kostüme legte und weniger auf komplizierte Szenerien und Lichteffekte, denn sie verfügte nur in geringem Umfang über all die Wunderdinge der Theatertechnik, die nach und nach sogar in kleinen Theatern Einzug gehalten hatten. Vor der Bühne standen Notenständer, für Kate ein Hinweis darauf, daß die musikalischen Aktivitäten seit ihrer Zeit nicht weniger geworden waren. Sie selbst hatte Bratsche gespielt in einem recht wilden Streichorchester, das ab und zu kleine Konzerte zu geben pflegte.
    Die Schauspiel-oder Encountergruppe, die gerade ihre Sitzung abhielt, arbeitete in einer Ecke, die so weit von der Bühne entfernt war wie möglich. Zweifellos wollte sie damit die Spontaneität ihres Unterfangens hervorheben. Kate sah forschend hinüber.
    »Das ist etwas Neues«, sagte Anne Copland. »Eine Mischung aus Schauspielerei, Stückeschreiben und Ausdruck der Persönlichkeit. Ich glaube, Mrs. Banister war zu Ihrer Zeit noch nicht hier; sie ist bei den Mädchen außerordentlich beliebt, die sich nicht mehr länger schon dadurch befreit fühlen, daß sie Hedda Gabler mit der notwendigen Leidenschaft gespielt haben. Die Mädchen, die sich für Schauspiel als Wahlfach entschieden haben, schreiben jetzt ihre Stücke selbst oder entwickeln sie spontan. Wirklich sehr interessant – gewissermaßen eine Mischung aus Samuel Beckett und Gruppentherapie. Vielleicht treffen wir Mrs. Banister beim Lunch – sie ist wirklich mit viel Enthusiasmus bei der Sache. Wenn hier alle nötigen Stühle stehen, ist es ziemlich eng; schließlich war die Schule für zweihundert Mädchen weniger geplant. Der Bedarf an Schulen ist schrecklich groß, und Miss Tyringham und die Stiftung waren der Meinung, wir müßten unsere Pflicht erfüllen.« Kate sah zu den Stühlen hinüber, die zu beiden Seiten der Bühne aufgestapelt waren; wahrscheinlich waren in einem Lagerraum dahinter noch mehr. Sie bemerkte zwei Fahrstuhltüren, mehrere Türen mit der Aufschrift »Treppe« und »Ausgang« sowie zwei kleine Türen neben der Bühne.
    »Waren die immer da?« fragte Kate.
    »Ja, ich glaube schon. Als Erwachsener bemerkt man andere Dinge. Die eine führt hinter die Bühne zum Lager, zum Lichtpult und so weiter; die andere führt zur Hausmeisterwohnung. «
    »Das ist aber neu.«
    »Wie so vieles in diesen bewegten Zeiten. Vor zwanzig Jahren und auch all die Jahre davor hat man einfach den Unterricht beendet, die Tür abgesperrt und bis zum nächsten Morgen nicht mehr an die Schule gedacht. Das waren die guten alten Zeiten. Hier ist häufig eingebrochen worden, und viele kostspielige Geräte wurden gestohlen; der Gipfel war eine Gruppe junger Rowdys, die offenbar mit genagelten Stiefeln durch die Turnhalle getrampelt sind. Ich weiß nicht,
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