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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
Autoren: Rosa Villas
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verschmuddelte, seit zwei Jahren abgelaufene,
Notfall-Spritzenbesteck zu, das seit einigen Jahren unbeachtet im Handschuhfach
lag.
    „Kannst du ihr das spritzen? Ich weiß nicht, wie das geht.“
Klar kann ich. In solchen Situationen bleibe ich völlig cool.
    „Intravenös oder intramuskulär?“ frage ich ihn.
    „Keine Ahnung“ entgegnet mir ihr Ehemann, dem ich ansehe,
dass er der nächste ist, der sich mit verdrehten Augen rückwärts in den Sand
legen wird. Während ich die Spritze aufziehe, entscheide ich mich für die Vene.
Das Zeug ist nicht ölig und im Blut wirkt es schneller als im Muskel. Susanne
kam sehr schnell wieder zu sich und wir konnten mit dem Urlaub beginnen. Was
genau mit ihr los war weiß ich auch nicht, aber der Urlaub verlief ohne weitere
Zwischenfälle. Allerdings weiß ich, dass Susanne schon mehr als einmal mit
Herzstillstand in die Klinik gefahren wurde, weil sie von einer Wespe gestochen
wurde und das nenne ich einen „Schuss vor den Bug.“ Nach meinem
Empfinden ist die Diagnose „Krebs“ der Eisberg für die Titanic.
    Aber ich bin nicht Gott und kenne seine Pläne nicht. Er wird
schon wissen, wie oft er vor den Bug von Susanne ballert.
    „ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie du mich gerne
hättest“
    Diesen Satz habe ich mal ein einem Buch über Krebs gelesen.
Ein Prinzip aus der Gestalttherapie von Fritz Pearls. Den hab ich mir gemerkt
und ich halte mich weitgehend daran, als Prävention gegen Krebs. Bis jetzt
>ztfff - ztfff - ztfff< hat es funktioniert.
    Susanne ist so ein wertvoller Mensch! Und sie hat so ein
freches Gesicht. Sogar noch mit über 40, hat sie überall Sommersprossen und so
herzige Grübchen, wenn sie lacht. Und wir können echt über jeden Scheiß lachen
und uns wie Teenager benehmen. Und dann führen wir wieder tiefgehende Gespräche
über das Leben, die Liebe, Gott und die Welt. Mit ihr fühle ich mehr
Verbundenheit als mit meinen Schwestern.
    Es ist halb zwei Uhr in der Nacht, als ich in den Parkplatz
einfahre. Ich suche mir einen gut einsehbaren Platz unter einer Lampe aus.
Licht verscheucht Schattengewächse, die meinem schönen roten Auto schaden
könnten und lege mich in den dicken Schlafsack auf die Rückbank. Habe einen
zweiten Schlafsack ins Auto gepackt, damit ich meinen perfekt gepackten Rucksack
nicht zerpflücken muss und schlafe sofort ein.

Tag 1: Christi Himmelfahrt 2010
    Um 5.30 Uhr klingelt mein Wecker und ich krabble aus dem
Auto. Verschlafen wie ich bin, packe ich mein Zeug und mache mich auf den Weg
in die Abflughalle. Da sitzen noch einige andere mit Wanderschuhen und Rucksack
herum. Typisch deutsch, wie wir nun mal alle sind, mustern wir uns schweigend,
lächeln nicht und sagen kein Wort.
    Im Flieger setzt sich ein Pärchen mittleren Alters in
Wanderschuhen neben mich, packt die erste Tupperdose aus und beginnt zu
vespern. Ich sehe noch vier laut gackernde Damen in den Flieger steigen, die
ihre aluminiumbeschichteten, ultraleichten Isomatten in der Hand tragen.
    „Das halte ich nicht aus,“ denke ich und flüchte mich in den
Schlaf.
    In Santiago steige ich in den Bus, in den alle anderen mit
Rucksack einsteigen und frage den Busfahrer auf spanisch, wohin er fährt. „Zum
Busbahnhof“ ist die Antwort und ich suche mir einen Platz. Das kann schon mal
nicht so ganz verkehrt sein.
    Am Busbahnhof in Santiago geht es zu wie in einer
Abflughalle. Sehr gut ist alles organisiert, die Menschen an den Schaltern sind
höflich und so besorge ich mir eine Fahrkarte nach Astorga. Die vier Damen mit
den aluminiumbeschichteten Isomatten waren mit im Bus und nun stehen sie hinter
mir an. Offensichtlich wollen sie, wie ich, erst einmal mit dem Bus in die
Gegenrichtung fahren, um irgendwo mitten in den Jakobsweg einzusteigen.
    Selbstverständlich reden wir kein Wort miteinander und
lächeln auch nicht. Wir sind ja Deutsche. Abgesehen davon sind die vier so sehr
mit sich selbst und ihrem kleinen Langenscheidt beschäftigt, um einen halbwegs
vernünftigen Satz zu formulieren, dass sie natürlich keine Zeit haben, mich zu
fragen, ob ich helfen könnte. Mein Spanisch war gut genug, um ruckizucki eine
Fahrkarte zu bekommen. Das müssten sie mitbekommen haben. Allerdings bin ich
genauso blöd und biete meine Hilfe erst gar nicht an.
    Es ist noch früh am Morgen und der Bus fährt erst in 4
Stunden ab. Zeit für einen echt spanischen Café con leche. Gegenüber ist eine
Bar und da begebe ich mich nun auf direktem Weg hinein. In der Nähe
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