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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen
Autoren: Amity Gaige
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wirkte ganz schön glamourös durch die getönten Scheiben. Die Freundlichkeit deines Vaters trug zu meinem Gefühl bei, dass die ganze Sache, ähnlich wie die Sorgerechtsabmachung, etwas Vorübergehendes sei. Wenn ich mich gut schlug, kämst du wieder zur Vernunft.
    Wenn sich je ein Mann von Versöhnungsträumen in die Irre führen ließ, dann war ich das. Wie viel rechtlichen Einfluss ich mir verscherzt habe bei meinen Bemühungen, dich zurückzugewinnen! Ich berichtete von deiner wunderbaren Art als Mutter und wie unbedingt Meadow dich liebte. Als mir unterstellt wurde, dass ich unsensibel sei, dass ich zahllose Warnsignale ignoriert hätte, dass mein Verhalten gelegentlich »erratisch« und mein Erziehungsstil »unberechenbar« sei, dass mein Forschungsprojekt »nebulös« und am Ende nur noch ermüdend und womöglich gar erfunden sei – akzeptierte ich diese Kritik und setzte sogar noch einen drauf. Du hast recht , sagte ich. Du hast ja so recht. Ich wollte dich davon überzeugen, dass ich um meine Schwachstellen wusste. Denn wenn ich um meine Schwachstellen wüsste, wäre ich ebenso gut in der Lage, vollkommen zu sein. Ich hatte den, der ich war, völlig im Griff. Ich war imstande, mich zu ändern.
    Du wurdest rot und sahst mir kaum in die Augen. Heute weiß ich, dass du dich für mich geschämt hast. Du hast dich für mich geschämt, dass ich so wenig Ahnung hatte von der Kälte des Gesetzes. Erst als ich auf einmal als nicht vormundschaftliches Elternteil dastand, erkannte ich meine Dummheit, und dass mein Opfer nutzlos war.
    Bei einer unserer letzten Begegnungen, als ich endlich ahnte, welch bittere Wendung mein Schicksal genommen hatte, versicherte mir der Mediator, falls ich später Einspruch einlegen wollte – falls ich meine Meinung änderte –, könne ich das im Rahmen einer gerichtlichen Anhörung tun. Inzwischen schien er der Meinung zu sein, dass es gut wäre, einem einzigen Elternteil das alleinige Sorgerecht zu übertragen, und dass ich bei dieser Absprache noch immer ein großzügiges Besuchsrecht hätte. Für manche Kinder, vor allem für kleine Kinder wie Meadow (behauptete unser Hippie), sei es besser, nur ein Zuhause zu haben. Bei mir könne Meadow ja hin und wieder übernachten. Ein spannender Tapetenwechsel.
    Nach Festlegung dieser elterlichen »Abmachung« verkehrten wir nur noch schriftlich. Ohne den Kick der persönlichen Begegnung nahm unsere Korrespondenz etwas Unterkühltes an. Allmählich dämmerte mir, dass ich nach Strich und Faden verarscht worden war. Die vielen anfangs versprochenen Besuche wurden auf jedes zweite Wochenende beschränkt. Diese unpersönlichen Verhandlungen verstörten mich und bereiteten mir zunehmend schlaflose Nächte.
    Ich bezog Stellung und verlangte einfach mal so, Meadow zusätzlich zu meinen Wochenenden jeden Mittwoch zu mir holen zu dürfen. Die Anfrage wurde zur Kenntnis genommen, doch dann war Meadow seltsamerweise zwei Wochen lang nicht in der Lage, mich zu Hause zu besuchen. Zahllose Male rief ich an; niemand ging ans Telefon. Ich suchte unseren Hippie auf; er konnte nichts tun. Und dann fuhr ich zurück in mein neues Zuhause – das von mir angemietete Ranchhaus mit dem Wasserschaden unweit der New Scotland Avenue –, saß wie gelähmt da und lauschte der Sumpfpumpe im Keller. In diesen Tagen klang selbst das Ticken der Uhr wie ein Vorwurf (Du wolltest dir ja nicht das Leben nehmen. Das hast du jetzt davon!) . Ich trank, aber auch das bewirkte keine Weltrevolution. Also setzte ich mich zum Nachdenken in die Küche, und ich dachte nach, bis mein Kopf vom Nachdenken wund war, und zum ersten Mal seit Jahren wurde mir bewusst, was es im Grunde auf sich hatte mit mir. Ich war Eric Kennedy. Ich wusste es, ich hatte es so beschlossen, und es war die Wahrheit. Es war allzu lange die Wahrheit gewesen. Doch wann immer ich mich in gemeinsame emotionale und körperliche Räume hinauswagte – das heißt in die Gesellschaft –, basierte meine Identität plötzlich auf einer Art kollektiver Übereinkunft. Mit anderen Worten, ich war Eric Kennedy nur insofern, als ich diesbezüglich einen Konsens herstellen konnte. Und mit einem Mal erkannte ich, dass das Erlangen eines vollkommenen Konsenses, einer Einvernehmlichkeit, einen Feldzug darstellte, für den mein Leben zu kurz war. Zum Beispiel hatte ich keinerlei Regressansprüche. Keineswegs konnte ich mich auf einen Sorgerechtsstreit einlassen! Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand loszog und nach alten
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