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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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empfunden hatte, als er auf einmal neben ihr erschienen war und ihr Beth abgenommen hatte. Der Lunch und das Abendessen hatten so viel Spaß gemacht, als könnte er durch seine bloße Gegenwart Sorgen und Einsamkeit vertreiben.
    »Jenny.« Seine Stimme war zärtlich. »Worüber denken Sie nach?«

    Sie bemühte sich zu lächeln. »Ich glaube, über gar nichts. Ich… ich glaube, ich bin einfach grenzenlos zufrieden.«
    »Und ich weiß nicht, wann ich schon einmal so zufrieden war wie jetzt. Jenny, sind Sie sicher, daß Sie nicht mehr in Kevin MacPartland verliebt sind?«
    Sie war so erstaunt, daß sie auflachte. »Großer Gott, nein.«
    »Warum geben Sie ihm dann so bereitwillig Geld?«
    »Aus falschem Verantwortungsgefühl, nehme ich an.
    Vielleicht braucht er es wirklich für die Miete.«
    »Jenny, ich habe morgen einen frühen Flug gebucht.
    Aber ich kann am Wochenende wieder nach New York kommen. Sind Sie Freitagabend frei?«
    Er will zurückkommen, um mich zu sehen. Wieder durchströmte sie das köstliche Gefühl der Erleichterung, das sie in der Second Avenue empfunden hatte, als er plötzlich neben ihr aufgetaucht war. »Ja, ich besorge einen Babysitter.«
    »Und Samstag? Glauben Sie, die Kinder würden gern in den Zoo im Central Park gehen, wenn es nicht zu kalt ist? Und dann könnten wir mit ihnen gemeinsam beim Rumpelmayer essen.«
    »Das fänden sie bestimmt herrlich, aber…«
    »Es tut mir nur leid, daß ich nicht gleich länger in New York bleiben kann, aber ich habe in Minneapolis eine Besprechung über Investitionen, die ich machen möchte.
    Oh, darf ich?«
    Er hatte das Fotoalbum auf dem unteren Boden des Beistelltisches entdeckt.
    »Wenn Sie möchten. Es ist aber nicht sehr aufregend.«
    Sie tranken Wein, während er die Bilder betrachtete.
    »Das bin ich, wie ich im Waisenhaus abgeholt wurde«, erzählte sie. »Ich bin adoptiert worden. Dies sind meine neuen Eltern.«
    »Ein hübsches junges Paar.«
    »Ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern. Sie hatten einen Autounfall, als ich vierzehn Monate alt war.
    Danach gab es nur noch Nana und mich.«
    »Ist das Ihre Großmutter?«
    »Ja. Sie war dreiundfünfzig, als ich geboren wurde. Ich weiß noch, wie ich in der ersten Klasse war und einmal mit einem langen Gesicht nach Hause kam, weil die anderen Kinder Geschenke für Vatertag bastelten, und ich hatte keinen Vater. Sie sagte: ›Hör zu, Jenny, ich bin deine Mutter, ich bin dein Vater, ich bin deine Großmutter und dein Großvater. Ich bin alles, was du brauchst. Du kannst mir etwas zum Vatertag basteln.‹«
    Sie fühlte Erichs Arm um ihre Schultern. »Kein Wunder, daß sie Ihnen so fehlt.«
    Hastig redete sie weiter: »Nana arbeitete in einem Reisebüro. Wir haben ein paar herrliche Reisen gemacht.
    Sehen Sie, da waren wir in England. Ich war fünfzehn.
    Und das war die Reise nach Hawaii.«
    Als die Fotos von der Hochzeit mit Kevin kamen, klappte Erich das Album zu. »Es ist spät«, sagte er. »Sie sind sicher müde.«
    An der Tür nahm er ihre beiden Hände und hielt sie an die Lippen. Sie hatte die Stiefel ausgezogen und stand in Strümpfen da. »Selbst jetzt sind Sie wie Caroline«, sagte er lächelnd.
    »Sie sehen mit Absätzen groß aus und wirken ohne Schuhe ganz klein. Glauben Sie an Schicksal, Jenny?«
    »Es kommt, wie es kommen muß. Das glaube ich wohl.« »Das wird reichen.« Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß.

3
    Punkt acht klingelte das Telefon. »Jenny? Wie haben Sie geschlafen?«
    »Sehr gut.« Sie war tatsächlich in einer beinahe seligen Vorfreude eingeschlafen: Erich kam zurück! Sie würde ihn wiedersehen. Zum erstenmal seit Nanas Tod war sie nicht in aller Frühe mit dem üblen Gefühl schweren Kummers aufgewacht.
    »Das freut mich. Ich auch. Und ich könnte hinzufügen, daß ich ein paar sehr angenehme Träume hatte. Übrigens, ich habe dafür gesorgt, daß Sie und die Kinder ab heute morgen von einer Limousine abgeholt werden. Der Fahrer wird die Mädchen zur Tagesstätte bringen und Sie dann zur Galerie fahren. Und er holt sie nachmittags um zehn nach fünf ab.«
    »Erich, das geht nicht!«
    »Jenny, bitte. Es ist eine Kleinigkeit für mich. Sonst muß ich unablässig daran denken, wie Sie sich mit den beiden durch dieses schreckliche Wetter quälen.«
    »Aber…«
    »Ich muß mich jetzt beeilen. Ich rufe wieder an.«
    Mrs. Curtis empfing sie mit ausgesuchter Höflichkeit.
    »Das ist wirklich ein Herr, Ihr Bekannter, Mrs.
    MacPartland. Er hat heute morgen angerufen.
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