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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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altersschwachen Couch in der dunklen Diele, die Mrs. Curtis großartig als ›Spielzimmer‹ bezeichnete.
    Jenny fragte sich, wie lange sie da wohl schon in ihren Wintersachen hockten. »Hallo, Maus, grüß dich, Tinker Bell.« Tinas Wangen waren tränennaß. Liebevoll strich Jenny das weiche rötlichbraune Haar zurück, das den Kindern über die Stirn hing. Sie hatten beide nicht nur Kevs Haarfarbe, sondern auch seine rehbraunen Augen und seine dichten, beinahe schwarzen Wimpern geerbt.
    »Sie hat immer Angst gehabt!« berichtete Beth und zeigte auf Tina. »Immer geweint.«
    Tinas Unterlippe zuckte. Sie streckte beide Arme nach Jenny aus.
    »Und Sie sind schon wieder zu spät gekommen«, bemerkte Mrs. Curtis im Tonfall eines Staatsanwalts.
    »Entschuldigung.« Jenny sagte es zerstreut. Tinas Augen waren glanzlos, ihre Wangen stark gerötet. Wurde sie schon wieder krank? Es lag an dieser schrecklichen Umgebung. Jenny hätte sich nie damit zufriedengeben sollen.
    Sie nahm Tina hoch. Aus Angst, zurückgelassen zu werden, rutschte Beth schnell von der Couch. »Da Sie es sind, werde ich die beiden noch bis Freitag nehmen«, sagte Mrs. Curtis. »Aber dann ist Schluß. Endgültig.«
    Ohne sich zu verabschieden, öffnete Jenny die Tür und trat in die Kälte hinaus. Es war inzwischen stockdunkel, und ein eisiger Wind wehte. Tina drückte den Kopf an Jennys Hals. Beth versuchte, das Gesicht in Jennys Mantel zu verbergen. »Ich hab’ mich nur einmal naß gemacht«, gestand sie.
    Jenny lachte. »Oh, Maus, Liebes! Halt aus. In einer Minute sitzen wir in dem schönen, geheizten Bus.«
    Aber drei Busse fuhren vorbei, da sie besetzt waren.
    Schließlich gab sie auf und begann, in südlicher Richtung zu laufen. Tina war eine schwere Last. Da Jenny sich beeilte, mußte sie auch Beth halb mitzerren. Nach zwei Blocks beugte sie sich hinunter und nahm sie hoch. »Ich kann gehen, Mami«, protestierte Beth. »Ich bin schon groß.«
    »Ich weiß, daß du groß bist«, versicherte Jenny ihr,
    »aber wir sind schneller zu Haus, wenn ich dich auch trage.« Sie verschränkte die Hände und brachte es irgendwie fertig, die beiden kleinen Pos auf ihren Armen zu balancieren.
    »Haltet euch fest«, sagte sie. »Der Marathon kann losgehen.«
    Es waren noch zehn Blocks nach Süden und dann zwei weitere Blocks quer durch die Stadt. Sie sind ja nicht schwer, sagte sie sich. Es sind deine Kinder. Wo um Himmels willen sollte sie bloß bis Montag eine andere Tagesstätte finden? Oh, Nana, Nana, wir brauchen dich so sehr! Sie konnte nicht riskieren, Hartley schon wieder um einen freien Tag zu bitten. Ob Erich Alison Spencer zum Essen eingeladen hat? fragte sie sich dann unvermittelt.
    Jemand holte sie ein und trabte neben ihr her. Jenny sah erschrocken hoch, als Krueger herüberlangte und ihr Beth abnahm. Beths Mund öffnete sich halb überrascht, halb ängstlich. Auf lautstarken Protest gefaßt, lächelte er sie an. »Wir sind viel schneller zu Haus, wenn ich dich trage und wenn wir Mami und Tina ein bißchen antreiben.« Seine Stimme klang verschwörerisch.
    »Aber…« begann Jenny.
    »Sie lassen mich doch sicher helfen?« sagte er. »Am liebsten würde ich Ihnen die Kleine auch abnehmen, aber ich fürchte, das hätte sie nicht gern.«
    »Das stimmt«, antwortete Jenny. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mr. Krueger, aber…«
    »Jenny, würden Sie bitte aufhören, Mr. Krueger zu sagen? Warum haben Sie mich mit dieser penetranten Person von Art News allein gelassen? Ich habe dauernd gehofft, Sie würden mich von ihr erlösen. Als ich merkte, daß Sie gegangen waren, fiel mir die Tagesstätte ein. Die schreckliche Frau sagte, Sie seien schon fort, aber ich habe sie überredet, mir Ihre Adresse zu geben. Ich beschloß, einfach hinzugehen und zu läuten, aber da sah ich auf einmal ein hübsches Mädchen vor mir, das Hilfe brauchte, und, nun ja, da bin ich.«
    Sie fühlte, wie er sie am Arm ergriff. Plötzlich waren ihre Müdigkeit und Niedergeschlagenheit wie fortgeblasen, und sie fühlte sich unsinnig froh. Sie warf einen Blick auf sein Gesicht.
    »Geht das jeden Abend so?« fragte er. Sein Ton war ungläubig und besorgt.
    »Meist schaffen wir es auch bei schlechtem Wetter, einen Bus zu bekommen«, sagte sie. »Aber heute waren sie so voll, daß selbst der Fahrer kaum noch Platz hatte.«
    Der Block zwischen Lexington Avenue und Park Avenue bestand aus hohen, schmalen Reihenhäusern.
    Jenny zeigte auf das dritte an der nördlichen Straßenseite.
    »Da ist
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