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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall
Autoren: Andreas Franz
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Weg war, erwachsen zu werden. Und er meinte zum ersten Mal so richtig zu spüren, wie die Zeit in immer schnellerem Tempo dahineilte. Er erinnerte sich, als er fünfzehn war und das Erwachsenwerden noch Lichtjahre entfernt schien, und jetzt war er schon seit über einem Vierteljahrhundert bei der Polizei, war verheiratet gewesen und hatte zwei reizende Töchter, deren Geburt er selbst miterlebt hatte. Und aus diesen damals winzigen Geschöpfen waren mittlerweile recht selbständige und manchmal auch eigenwillige junge Damen geworden.
    Bevor er noch länger nachdenken konnte, bog er auf den Präsidiumshof ein, stellte seinen Wagen ab und ging in den ersten Stock, wo Bernhard Spitzer und Nicole Eberl bereits hinter ihren Schreibtischen saßen und telefonierten. Ein kurzer Blick, ein dahingemurmeltes »Guten Morgen«.
    Eberl schrieb, während sie telefonierte, mit dem Kugelschreiber eine Notiz auf ein Blatt Papier und deutete demonstrativ darauf, als Brandt sich bereits an seinen Schreibtisch begeben wollte. Er las, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Was soll ich damit?«, flüsterte er, denn er konnte mit dem Dahingekritzelten nichts anfangen.
    Eberl winkte ab und sagte zu ihrem Gesprächspartner am andern Ende der Leitung: »Wir sind in spätestens einer halben Stunde da«, und legte auf.
    »Hi, Peter. Das war eben unser Kollege Heinzer aus Hanau …«
    »Das kann ich noch entziffern. Und?« Brandt nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.
    »Er hat vorhin einen anonymen Anruf erhalten, laut dem ein gewisser Kurt Wrotzeck aus Bruchköbel ermordet worden sein soll. Ob wir uns drum kümmern können, die haben im Augenblick keine Kapazitäten frei.«
    »Moment, Moment, mal schön der Reihe nach. Erstens, was heißt ermordet worden sein soll? Wurde er nun ermordet oder nicht? Zweitens, war schon jemand vor Ort, Spurensicherung, Fotograf et cetera?«
    »Dieser Wrotzeck war Landwirt und ist am 23. Juli bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er ist vom Heuschober gefallen …«
    »Es gibt doch heutzutage keine Heuschober mehr,zumindest kaum noch«, wurde sie von Brandt unterbrochen.
    »Jetzt lass mich doch mal ausreden! Ich gebe nur das wieder, was Heinzer gesagt hat. Jedenfalls ist Wrotzeck aus etwa vier Meter Höhe gestürzt und hat sich dabei das Genick gebrochen. Er liegt längst unter der Erde, weil es damals keine Hinweise auf Fremdeinwirkung gab und der herbeigerufene Arzt eine entsprechende Mitteilung auf dem Totenschein vermerkt hat, weshalb es auch keine rechtsmedizinische Untersuchung gab. Nun, du weißt ja, wie knapp deren Etat bemessen ist.«
    »Das ist ja fast einen Monat her. Warum kommt erst jetzt jemand damit, dass dieser Wrotzeck umgebracht worden sein könnte? Kleine Verarsche, oder was?«
    »Keine Ahnung, aber wir müssen es überprüfen.«
    »War der Anrufer ein Mann oder eine Frau?«, fragte Brandt.
    »Eine Frau, allerdings von einer Telefonzelle in Hanau aus. Das wurde schon überprüft. Sie hat außerdem gesagt, dass Wrotzeck es auch nicht anders verdient hätte. Mehr haben die Kollegen nicht aus ihr rauskriegen können, denn sie hat auch gleich wieder aufgelegt.«
    Brandt schaute auf seinem Tischkalender nach und meinte: »Der dreiundzwanzigste war ein Freitag. Ich brauch als erstes Einsicht in die Unterlagen, vorher unternehm ich gar nichts …«
    »Wir können sie uns in Hanau abholen«, wurde er von Eberl schnell unterbrochen. »Wie sieht’s aus?«
    »Und die Observierung?«
    »Sag bloß, du bist scharf auf diese langweilige Nummer!Das können doch wohl auch andere übernehmen. Jetzt tu nur nicht so, als ob du an dem Fall nicht interessiert wärst. Ich seh doch an deinem Gesicht, wie es dir in den Fingern juckt.«
    »Weiß Bernie schon Bescheid?«
    »Woher denn, ich hab doch gerade eben erst mit Hanau telefoniert.«
    »Also gut, gehen wir’s an. Ich hoffe nur, dass sich da keiner einen üblen Scherz mit uns erlaubt, mir ist nämlich heute nicht danach zumute.«
    »Schlechte Laune?«
    »Blödsinn, nur schlecht geschlafen«, schwindelte er. »Informieren wir unsern Boss, und dann ab in die Pampa.«
    Brandt und Eberl begaben sich ins Nebenzimmer, wo Spitzer noch immer telefonierte, seinen beiden Kollegen jedoch mit einer Handbewegung bedeutete, dazubleiben. Er wirkte aufgeregt, sein Gesicht war gerötet, als er sagte: »Ja, wird erledigt … Sie können sich drauf verlassen, dass wir Sie auf dem laufenden halten … Ja, ich melde mich, sobald ich Näheres weiß.« Er legte auf, ließ sich
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