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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall
Autoren: Andreas Franz
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zurückfallen und atmete ein paarmal tief durch.
    »Was wird erledigt, und wen wirst du auf dem laufenden halten?«, fragte Brandt mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, als wüsste er genau, was Spitzer gleich antworten würde.
    »Du brauchst gar nicht so blöd zu grinsen! Die Klein, diese dumme Kuh! Keinen Schimmer, was die wieder hat, aber sie will unbedingt, dass wir diese Albaner endlich hochnehmen. Ich hab ihr versucht klarzumachen, dass dieKerle uns bis jetzt keinerlei Gründe für eine Festnahme geliefert haben, aber die hat mich so zugelabert …«
    »Vielleicht hat sie ihre Tage«, bemerkte Brandt nur.
    »Dann hat sie wohl andauernd ihre Tage.«
    »Pass auf, mal weg von der Klein und den Albanern. Unsere Leute in Hanau haben einen anonymen Anruf erhalten, laut dem ein Unfalltod angeblich kein Unfall war. Nicole und ich fahren da jetzt hin, schauen uns die Unterlagen an und hören uns bei seinen Hinterbliebenen und eventuell der Nachbarschaft um. Danach entscheiden wir, ob und wie wir weiter vorgehen, vorausgesetzt, es gibt überhaupt Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden. Behalt das aber erst mal für dich, die Klein sollte besser noch nicht Wind davon bekommen.«
    »Die kann mich sowieso mal kreuzweise. Das Problem ist nur, dass mir dadurch zwei Leute für die Observierung fehlen.«
    »Ach komm, du wirst schon jemanden auftreiben, der das gerne übernimmt«, sagte Eberl lächelnd. »Falls wir es mit einem Mord zu tun haben …«
    »Haut schon ab, ich krieg das hier auch ohne euch auf die Reihe.«

Mittwoch, 9.45 Uhr
    Hauptkommissar Heinzer hatte eine dünne Akte auf seinem Schreibtisch liegen, als Brandt und Eberl in sein Büro kamen. Heinzer war neunundfünfzig, seine Frau vor einem halben Jahr nach langem Dahinsiechenan Krebs gestorben. Er hatte sie aufopferungsvoll gepflegt und in der Todesstunde ihre Hand gehalten. Die vergangenen Jahre hatten deutlich sichtbare Spuren bei ihm hinterlassen, seine Wangen waren eingefallen, das Gesicht grau, er war Kettenraucher und schien mehr, als ihm gut tat, zur Flasche zu greifen. Auch jetzt meinte Brandt, einen leichten Geruch von Alkohol inmitten des verräucherten Zimmers wahrzunehmen. Er kannte ihn seit über zwanzig Jahren, und war Heinzer früher ein Polizist mit Leib und Seele gewesen, so hatte sich dies mit der Erkrankung und dem qualvollen Tod seiner Frau genau ins Gegenteil verkehrt. Seine Augen waren leer, sein Elan dahin, es schien, als würde er nur noch auf seine Pensionierung hinarbeiten – oder auf seinen Tod. Jeder, der ihn etwas näher kannte, wusste, wie viel ihm seine Frau bedeutet hatte. Fast vierzig Jahre (für eine Polizistenehe beinahe eine Ewigkeit) waren sie unzertrennlich gewesen, bis dieser Schicksalsschlag alles veränderte. Aber das vielleicht Schlimmste für ihn war, dass seine vier erwachsenen Kinder, für die er sich krumm gelegt hatte, sich kaum noch bei ihm blicken ließen. Sie gingen ihre eigenen Wege und schienen ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen.
    »Hallo«, begrüßte er die Eintretenden mit energieloser Stimme, »nehmt Platz. Ist gerade gekommen«, fuhr er fort und schob die Akte über den Tisch. Brandt schlug sie auf, Eberl las mit.
    »Ist das etwa alles?«, sagte Brandt, als er den dünnen Ordner in der Hand hielt, der lediglich aus vier Seiten bestand. Dazu noch sechs aus unterschiedlichen Winkelnaufgenommene Fotos, die den Toten auf dem Bauch liegend zeigten.
    »Was hast du erwartet? Es gab keine Ermittlungen, weil es als Unfall behandelt wurde.«
    »Schon gut. Wie hat sich die Anruferin angehört? Glaubwürdig oder eher wie eine Spinnerin?«
    »Schwer zu beurteilen, auf jeden Fall hat sie nicht wirr rumgefaselt. Ich denke, ihr solltet euch mal in Wrotzecks Umfeld über ihn kundig machen.«
    »Wieso kommt jemand erst jetzt damit? Warum nicht schon einen oder zwei Tage, nachdem es passiert war?«
    Heinzer zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich. Vielleicht hat da jemand ein schlechtes Gewissen. Oder unsere große Unbekannte will sich wichtig machen.«
    »Eher unwahrscheinlich«, bemerkte Brandt, »dann hätte sie sich nicht anonym gemeldet. Ich kenne die Wichtigtuer, die platzen ins Büro und tischen uns eine haarsträubende Geschichte auf, nur weil sie sonst niemanden haben, mit dem sie reden können. Mit dem Material hier können wir jedenfalls recht wenig, um nicht zu sagen, gar nichts anfangen, sollte es sich um einen unnatürlichen Tod handeln. Es hat keine Autopsie stattgefunden, der Arzt hat Tod
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