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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall
Autoren: Andreas Franz
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soll. Deshalb auch unser Besuch.«
    Liane Wrotzeck kniff die Augen zusammen und sagtemit leicht belegter Stimme: »Bitte? Soll das ein Witz sein?«
    »Ob es sich um einen Witz handelt, wissen wir nicht, aber es ist unsere Pflicht, auch anonymen Hinweisen nachzugehen. Für uns ist wichtig zu wissen, was sich am Abend des Unfalls Ihres Mannes zugetragen hat. Glauben Sie mir, wir wollen Sie nicht unnötig belästigen, doch …«
    Sie winkte ab und sagte: »Entschuldigung, aber damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin wirklich sehr verwundert, dass jemand behauptet, mein Mann sei ermordet worden. Ich habe das doch richtig verstanden, oder?«
    »Ja, aber …«
    »Nein, nein, hören Sie, das ist absurd. Mein Mann ist vom Zwischenboden der Scheune gefallen. Die Polizei war hier, ein Notarzt und … Mein Gott, wer denkt sich denn so etwas aus? Es war ein Unfall, das können Sie doch sicherlich nachlesen, es gibt doch bestimmt Unterlagen darüber.«
    »Das haben wir bereits getan. Dennoch sind wir, wie bereits gesagt, verpflichtet, auch solchen Hinweisen nachzugehen. Der Anrufer hat erklärt, dass Ihr Mann es auch nicht anders verdient habe. Was könnte er damit gemeint haben?« Brandt vermied bewusst zu erwähnen, dass es sich um eine Anruferin gehandelt hatte.
    Liane Wrotzeck machte ein beinahe mitleidsvolles Gesicht, als würde sie voraussetzen, dass Brandt über die Verhältnisse im Ort Bescheid wusste. »Was weiß ich. Kennen Sie die Leute hier? Na ja, wahrscheinlich nicht, aber es gibt Neider, vor allem unter den Landwirten. Mein Mann war äußerst erfolgreich, unser Hof wirft einen überdurchschnittlichguten Ertrag ab und … Trotzdem, dass mein Mann ermordet wurde, halte ich für ziemlich ausgeschlossen, da muss sich jemand einen makabren Scherz erlaubt haben. Tut mir leid, wenn ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.«
    »In den Akten steht, dass einer Ihrer Angestellten ihn gefunden hat. Wie viele Angestellte haben Sie auf dem Hof?«
    »Zehn. Aber der, der ihn gefunden hat, arbeitet nicht mehr hier.«
    »Warum?«
    »Saisonarbeiter. Wir haben vier Festangestellte und sechs für die Saison. Die Festangestellten kümmern sich um die Ställe und das Vieh, die andern um das Getreide, die Zuckerrüben, das Gemüse und die Kartoffeln und erledigen auch noch andere Arbeiten, die zwischen Anfang April und Ende September eben so auf dem Hof anfallen. War’s das?«
    Brandt hatte das Gefühl, als wollte sie ihn und Eberl schnellstmöglich wieder loswerden, was er auch irgendwie verstehen konnte. Keiner hatte gerne die Polizei im Haus, es sei denn, ihnen selbst war etwas zugestoßen, ein Einbruch, ein Raubüberfall, Körperverletzung … Aber sobald es unangenehm wurde, blockten die meisten ab. »Nein, noch nicht ganz. Hatte Ihr Mann Feinde?«
    Liane Wrotzeck zögerte mit der Antwort und sagte schließlich: »Und wenn? Aber Sie würden es ja sowieso rausfinden. Mein Mann war kein einfacher Mensch, ganz im Gegenteil. Sagen wir es so, er ging keinem Streit aus dem Weg, obwohl er sich damit selbst am meisten geschadethat. Er war ein Außenseiter und hier im Ort nicht sonderlich beliebt, nein, er war, glaub ich, der meistgehasste Mensch in der ganzen Gegend. Aber darin gleich ein Motiv für einen Mord zu sehen, halte ich für maßlos übertrieben.«
    Sie drückt sich ungewöhnlich gewählt aus, dachte Brandt, gar nicht so, wie er es von einer Landwirtin erwartet hatte. Auch war sie, was ihre Erscheinung betraf, alles andere als das Abbild einer Frau, die sich um einen riesigen Hof kümmern musste, eher wie eine Geschäftsfrau, die sich elegant kleidete, ihre Bewegungen hatten etwas Elegantes, wenn sie sprach, war es leise und wohl formuliert, allein ihre Gesichtszüge wirkten etwas starr.
    »Gibt es auch Namen derjenigen, die ihm nicht so wohlgesinnt waren?«, fragte Brandt.
    »Unser Nachbar, Herr Köhler. Die beiden lagen sich ständig in den Haaren. Aber kommen Sie deswegen nicht gleich auf falsche Gedanken, für Köhler lege ich meine Hand ins Feuer. Mein Mann kam mit niemandem in der Gegend gut aus, da können Sie fragen, wen Sie wollen.«
    »Was war der Auslöser für den Streit zwischen Ihrem Mann und Herrn Köhler?«
    Liane Wrotzeck lachte kurz und trocken auf und schüttelte den Kopf. »Es ging um ein paar läppische Meter Land. Neun Meter, um genau zu sein …«
    »Wie groß ist denn Ihr Hof?«, fragte Eberl.
    »Meinen Sie alles Land, das uns gehört?«
    »Ja.«
    »Gut vierhundert Hektar, aber etwa die Hälfte davon ist in der
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